»Dass Kirchenglocken zum Gebet rufen, finde ich schön. Dass sie aber vor allem eine unaufgeforderte und sehr laute Zeitansage sind, halte ich in Zeiten von Handys und preiswerten Armbanduhren für nicht zeitgemäß, vor allem am frühen Morgen nervt das Gebimmel doch sehr. Sollte man die Kirche bitten, das Glockengeläut zu reduzieren?« Anonym, per Mail
Ich habe auch mal direkt neben einer Kirche gewohnt und bin fast verrückt geworden vor Verzweiflung über die viertelstündlichen Updates, was das Fortschreiten der Zeit angeht. Was die Uhrzeit mit Religion zu tun haben soll, hat sich mir auch nicht erschlossen. Zumal wir ja nicht mehr im Mittelalter leben, wo die Kirchturmuhr oft die einzige öffentliche Uhr eines Ortes war und daher für die Struktur eines Tages für die Allgemeinheit von Interesse. Heute soll es vermutlich eine Erinnerung ans letzte Stündlein sein, das irgendwann für uns alle schlägt – aber wer will denn um Himmels willen viermal in der Stunde daran erinnert werden?
Sie fragen, ob Sie die betreffende Kirche bitten sollten, das Glockengeläut wenigstens zu reduzieren. Einen Versuch ist es auf jeden Fall wert. In Ihrem Fall scheint es sich ja um das sogenannte weltliche Läuten zu handeln, also jenes Läuten, das das Fortschreiten der Zeit markiert. Und da hat es durchaus Fälle gegeben, in denen ein Gespräch die Situation verbessert hat. Anschließend zumindest Nachtruhe gehalten wurde oder die Lautstärke reduziert. Es klappt natürlich nicht immer, so hat zum Beispiel das Verwaltungsgericht Stuttgart mal die Klage eines Mannes abgewiesen, der sich vom um sechs Uhr morgens einsetzenden Glockengeläut einer benachbarten Kirche um den Schlaf gebracht fühlte. Morgendliches Glockenläuten verstoße nicht gegen das Grundgesetz, urteilte das Gericht. Aber Sie wollen ja nicht gleich klagen, sondern zunächst einmal einfach nur fragen. Und vielleicht haben Sie ja Glück, und die Zuständigen sind verständnisvoll und an guter Nachbarschaft interessiert.
Ginge es hingegen um kirchliches Läuten, also solches, das zum Gottesdienst, zum Gebet oder zu kirchlichen Feiern ruft, könnten Sie vermutlich nichts ausrichten: Das ist von der Religionsfreiheit geschützt.

