Freundschaft knüpfen dem Partner zuliebe?

Der Mann unserer Leserin wünscht sich, dass sie seine Freunde kennenlernt. Zwei von ihnen sind allerdings in einer radikalen religiösen Gemeinde. Was tun? Unsere Kolumnistin antwortet entschieden – und verrät ihr Grundprinzip der Liebe.

Illustration: Serge Bloch

»Mein Mann ist extrovertiert und hat sehr viele Freunde. Ich bin eher introvertiert und zufrieden damit. Er möchte, dass ich mich mit seinen Freunden anfreunde, was ich ihm zuliebe täte – mit einer Ausnahme. Zwei seiner engen Freunde sind aktiv in einer radikalen Gemeinde. Ich möchte nicht mit Menschen befreundet sein, die daran glauben, dass ich in der Hölle lande oder anderweitig minderwertig bin. Muss ich mich mit Leuten anfreunden, deren Religion mich verachtet?« Victoria L., München

Ihre Frage gibt mir Gelegenheit, mal wieder meinen besten (und einzigen) Rat hervorzukramen, was Beziehungen angeht. Er ist allgemeingültig: Man muss versuchen, zwei eigenständige Menschen zu bleiben, statt zu einem Paarwesen zu verschmelzen, wo der eine nicht weiß, wo er aufhört und der andere beginnt, und umgekehrt. Sie schreiben es ja eingangs sehr deutlich: Ihr Mann ist gesellig, Sie eher nicht. Und Sie schreiben auch, dass Sie zufrieden damit sind. Ich vermute mal, dass Sie Ihrerseits noch nie daran gedacht haben, Ihren Mann zu bitten, Ihnen zuliebe weniger Freundschaften einzugehen. Natürlich haben Sie das nicht. Sie lassen ihn seiner Natur gemäß extrovertiert sein, ohne sich dadurch beeinträchtigt zu fühlen. Ein schöner Zug, der unter Umständen einiges zum Gelingen Ihrer Ehe bei­getragen hat.

Nicht, dass man dem anderen zuliebe grundsätzlich niemals Dinge tun sollte. Aber warum sollten Sie sich mit Menschen anfreunden, die Ihnen so gar nicht zusagen, aus welchen Gründen auch immer? Und welchen Nutzen würde Ihr Mann daraus ziehen, wenn Sie sich ihm zuliebe derart verbiegen? Ihre Frage ist ja nicht, ob Sie besagten Personen eventuell mal »Guten Tag« sagen sollen oder vielleicht sogar mal ein Abendessen mit ihnen am selben Tisch aushalten, was möglicherweise noch zu verschmerzen wäre, man hat schließlich nahezu täglich auch mit Menschen zu tun, die man nicht sonderlich sympathisch findet oder deren Grundüberzeugungen man nicht teilt, und schafft es dennoch, die Form zu wahren, oder jedenfalls meistens. Aber Ihre Frage geht darüber weit hinaus. Sie fragen, ob Sie sich mit diesen Menschen befreunden müssen. Freundschaft aber setzt zumindest eine Art Grund­sympathie voraus. Diese ist nicht gegeben. Um Ihre Frage also endlich zu beantworten: Um Himmels willen, nein.