In-vitro-Kommunikation

Unser Leser hat zwei Kinder – und 14 weitere, die durch seine Samenspende entstanden sind. Offengelegt hat er es gegenüber seiner Familie bislang nicht, sollte er das ändern?

Illustration: Serge Bloch

»Vor vielen Jahren war ich regelmäßig Samenspender, durch meine Doktorarbeit über In-vitro-Fertilisation hatte ich Kontakt zu dem Thema. Insgesamt sind dadurch 14 Kinder entstanden. Soll ich diese Tatsache meinen beiden erwachsenen Kindern, 19 und 21, meiner Mutter, 93, und Freunden ­erzählen? Bin ­selber sehr verunsichert, da ich das vorab nicht kommuniziert hatte.« Anonym, per Mail

Ich möchte mich nicht aus der Affäre stehlen, aber niemand kann Ihnen diese Entscheidung abnehmen. Es gibt ein paar Dinge zu bedenken. Hauptsächlich, ob Sie, wenn Sie nichts sagen, anderen Wissen vorenthalten, das diese betrifft. Für Ihre beiden rechtlichen Kinder könnte es durchaus interessant sein zu wissen, dass es noch mehr Menschen auf der Welt gibt, mit denen sie den genetischen Vater teilen. Und dann sollten Sie in Ihre Überlegungen mit einbeziehen, dass es auch ohne Ihr Zutun irgendwann herauskommen kann. DNS-Tests werden immer gebräuchlicher. Durch sie lässt sich auch herausfinden, ob man Halbgeschwister hat. Diese müssen nicht einmal selbst einen solchen Test gemacht haben, vielleicht hat es ein enger Verwandter von ihnen getan.

Anne Meier-Credner, Vorsitzende des Vereins Spenderkinder, macht auf einen weiteren Punkt aufmerksam: die Perspektive der 14 Spenderkinder. Mehr als 80 Prozent aller Spenderkinder, die über ihre Entstehung aufgeklärt wurden, wollen Studien zufolge irgendwann wissen, wer ihr Spendervater ist. Und sie haben das Recht, das zu erfahren. »Aus unseren Forschungen wissen wir, dass Spenderkinder es als kränkend empfinden, wenn sie dann Kontakt zu ihrem rechtlichen Vater haben und dieser nicht will, dass sein familiäres Umfeld von ihnen weiß«, sagt Meier-Credner. Sie haben es also genau genommen nicht nur mit den Interessen Ihrer zwei rechtlichen, sondern mit den Interessen von insgesamt 16 Kindern zu tun, die alle ihr Leben zu einer genetischen Hälfte Ihnen verdanken.

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Ob Ihre 93-jährige Mutter mit der Information über eine sprunghaft gewachsene Enkelschar etwas anfangen kann, können Sie am besten einschätzen. Eventuell ist das so spät im Leben eine sehr verwirrende und abstrakte Neuigkeit. Was die Freunde angeht: Konzentrieren Sie sich erst mal auf Ihre Familie. Das ist doch schon schwierig genug.