»Ich bin oft so vernünftig, dass mich meine eigene Spießigkeit ankotzt. Wenn ich mir aber vornehme, bewusst Unvernünftiges zu tun – rauchen, in den zu kalten See springen, spontan nach Paris fahren –, komme ich mir vor wie ein schlechter Schauspieler. Was tun?« Karsten T., Frankfurt
Ich glaube ja, schlechte Schauspieler haben ein viel schöneres Leben als richtig gute. Jetzt mal vorausgesetzt, sie sind sich im Klaren darüber, dass sie kein Jahrhunderttalent sind, und müssen sich deshalb nicht ständig gedemütigt und herabgesetzt fühlen, wenn sie wieder einmal nicht als Richard III. besetzt wurden, sondern nur als Hinterteil von dessen Pferd. Dabei weiß ja jeder, wie wichtig dieses Pferd ist. Ein Pferd! Ein Pferd! Mein Königreich für ein Pferd! – auf wen bezieht sich dieser weltberühmte Ausruf denn? Ganz genau, auf (korrekte Deklination unklar) dem Richard III. sein Pferd! Schlechte Schauspieler können sogar alles auf einmal, ohne dass es groß jemanden stört: spontan rauchend in einen See in Paris springen, beziehungsweise müsste es, was Paris angeht, aushilfsweise ein zu kaltes Hallenbad sein. Schlechte Schauspieler können machen, was sie wollen, ohne dass es irgendjemanden interessiert. Glauben Sie, Daniel Day-Lewis kann das?
Aber ich weiß schon, was Sie meinen. Ihre Frage erinnert mich an etwas, was ich mal in mein Tagebuch schrieb, als ich noch Tagebuch schrieb, lange her, und zwar in heiligem Ernst, ohne zu bemerken, wie komisch das war. Ich schrieb: »Hiermit nehme ich mir vor, spontaner zu sein.« Hat es was genützt? Jein. Manche Menschen haben halt eine größere innere Distanz zu sich selbst als andere, bei manchen läuft permanent eine sie selbst beobachtende zweite Ebene mit. Je blöder man das aber findet, desto gnadenloser wird diese einen kommentieren. Um ein schönes Leben zu haben, kann man eigentlich nur so tun, als gäbe es diese Ebene nicht. Und so wie Sie das beschreiben, können Sie anderen da nur ein Vorbild sein. Etwas Besseres als ein schlechter Schauspieler kann man sich da gar nicht sein. Wenn Sie so weitermachen, tanzen Sie noch irgendwann nackt im Regen. Und wer weiß, am Ende sogar gern.