Die Chinesin lag schon im Bett, als ich in der Nacht in den Schlafsaal kam, ihr offener Koffer vor ihr auf dem Boden. Hatte am Nachmittag versucht, ihr »Guten Tag« zu sagen, aber wir fanden keine gemeinsame Sprache, und ich wollte nicht so wirken, als suchte ich verzweifelt das Gespräch, die Dame könnte meine Tochter sein. Noch später in der Nacht tauchten zwei Japanerinnen auf, sie ließen das Licht an und drehten die Heizung voll auf. Aber auch mein Japanisch lässt zu wünschen übrig.
Schlafsäle gibt es in einigen Hostels, wahrscheinlich auch in Wien, aber einen Schlafsaal im Luxushotel findet man europaweit wohl nur hier: mit vier Stockbetten aus Mahagoni, mit Frotteebademantel und Handtüchern auf dem Bett, mit zwei Duschen, großen Kleiderspinden, drei Waschbecken nebeneinander und zwei WC. Auch den Pool auf dem Dach darf man nutzen. Der Concierge berichtet von einem Geschäftsreisenden, der immer wieder den Schlafsaal bucht. Einmal kein reguläres Zimmer mehr ergattert – und dann auf den Geschmack gekommen.
Großfamilien sind hier ohnehin bestens aufgehoben. Morgens beim Frühstück sind die Gäste im Luxushotel alle gleich, niemand sieht einem an, ob man jetzt 300 Euro für die Nacht gezahlt hat oder nur die 30, die das Übernachten im Schlafsaal kostet. Gleich neben der Rezeption werden Wiener Schnitzel fürs Hotelrestaurant geklopft. Kostet mit Erdäpfelsalat und Preiselbeeren fast so viel wie vorher das Bett.
Hotel Grand Ferdinand
Schubertring 10-12
1010 Wien
Tel. 0043/1/9 18 80
pro Bett im Schlafsaal 30 Euro pro Person
Foto: Grand Ferdinand