Beim Betrachten großer Kunst fühlt man sich oft klein – das weiß jeder, der mal den Fenstern des Kölner Doms oder Picassos Guernica gegenüberstand. Doch die Skulpturen, die seit einigen Jahren im Iran an Straßenkreuzungen oder in Parks auftauchen, verzwergen den Betrachter auf andere Art: Sie sehen aus, als hätte ein schusseliger Riese Teile seines Gepäcks fallen lassen. Kassetten, Fußbälle, Pistazien, Blumenvasen, sogar einen Becher mit Buntstiften nebst Spitzer und Radiergummi.
Als der Berliner Fotograf Oliver Hartung bei einer Reise durch den Iran vor einigen Jahren zum ersten Mal vor einer solchen Statue stand, traute er sich kaum, seine Kamera auszupacken. Das Land wurde damals vom antiwestlichen Hardliner Mahmud Ahmadinedschad regiert. Würde da ein Mann aus dem Westen mit Fotoapparat nicht gleich für einen Spion gehalten?
Die Sorge war unbegründet: Alle Iraner, die Hartung traf, waren freundlich, diskutierten über Politik, manche entschuldigten sich sogar für die martialischen Reden ihres Präsidenten. Mittlerweile ist Hartung vier Mal durch das Land gereist, immer auf der Suche nach neuer Straßenkunst. Aufgestellt werden die meisten Skulpturen von der Gemeindeverwaltung, ähnlich wie die Werke, die auch in Deutschland im öffentlichen Raum zu sehen sind. Und doch spielen sie im Iran eine viel größere Rolle: Im Vergleich zu den Kriegsdenkmälern, die oft nicht weit entfernt stehen, wirken die bunten Riesenstatuen wie ein Comicstrip in einem politischem Manifest. In Ländern wie dem Iran, der in Erhebungen zu Pressefreiheit und Demokratie stets auf einem der letzten Plätze landet, ist es ein gutes Zeichen, wenn der Staat sich mal Dinge leistet, die unterhaltsam und unpolitisch sind. Und damit stehen die meistens namenlosen Schöpfer dieser Skulpturen in einer Tradition mit Pop-Art und Dada, die sich der bunten Darstellung von Alltagsmotiven widmeten, auch um politische und religiöse Propaganda ein bisschen lächerlich zu machen.
Ob diese Wirkung auch im Iran beabsichtigt ist, kann man schwer beurteilen. Doch wirkt ein Kriegsdenkmal wie eine gewaltverherrlichende Riesenfaust aus Beton, die eine Rakete in die Luft reckt, noch bedrohlich, wenn ein paar Straßen weiter ein gigantischer Topf mit Buntstiften steht? Und die Freude an bunter Zerstreuung lassen sich die Bürger Irans nicht mehr gerne nehmen: Als in der Großstadt Isfahan eine meterhohe Handgranate mit Internet-Explorer-Logo aufgestellt wurde, mit der das Regime wohl die Gefahr des Internets auf islamische Werte versinnbildlichen wollte, machte sich Unmut in der Bevölkerung breit. Nach wenigen Tagen war die Handgranate verschwunden.
Fotos: Oliver Hartung