Meikes Reisebüro (10): Tel Aviv

Zwölf Monate, zwölf Städte - unsere Kollegin fährt ein Jahr lang um die Welt und erledigt Leser-Aufträge. In Tel Aviv erfüllt sie sich einen alten Traum und macht sich auf die Suche nach einer geheimen Untergrundbewegung.

Manchmal – nein: oft – braucht man einen kräftigen Fußtritt, um das zu tun, was einen glücklich macht. Ein anderer muss einem den Spaten in die Hand drücken, mit dem man seine alten Träume ausbuddelt. So ging es mir in Tel Aviv: Eine Leserin bat mich, ein Antiquariat ausfindig zu machen, und gab nebenbei noch ein paar Empfehlungen für Israel: »Zum Beispiel Schnorcheln in den Ruinen der Stadt Caesarea. Das muss schon ziemlich James-Bond-mäßig sein, zwischen den alten Skulpturen und Säulen zu tauchen. (Mein Traum. Wollte als Kind Unterwasserarchäologin werden.)« Zack. Da war er plötzlich wieder, mein nie verwirklichter Uraltplan: tauchen zu lernen. Wann, wenn nicht jetzt? Wo, wenn nicht hier?

Deshalb war beinahe das Erste, was ich in Tel Aviv gemacht habe: wieder wegzufahren. Durch die Negev-Wüste ans Rote Meer nach Eilat, um meinen Tauchschein zu machen, wie ich es seit mindestens zwanzig Jahren im Kopf hatte. Danke, Nini_Meta, dass Sie mich daran erinnert haben: Diese Woche gehörte zu den absoluten Höhepunkten in diesem höhepunktsatten Jahr.

Auch sonst haben mich die Aufträge der Leser wieder auf den richtigen Weg geführt. Zum perfekten Restaurant am Strand von Tel Aviv (»Manta Ray« mit sensationellen Mezze) oder zum frisch angetretenen Leiter des Goethe-Instituts, Klaus Krischok, der, wie wir zu unserer Verblüffung feststellten, Anfang des Jahres ebenfalls ein »12 Monate, 12 Städte«-Projekt initiiert hat: Auf blog.goethe.de/cityscapes bloggen 36 Künstler aus zwölf Städten monatlich zu einem anderen Thema – ein spannendes Projekt. Und die Städteliste ist fast eine Inspirationsquelle für eine zweite Runde irgendwann: Singapur, Istanbul, Auckland, Hanoi … ja, die könnten mir auch gefallen.

Meistgelesen diese Woche:

Aber weiter zu den Aufträgen für Tel Aviv: »Können Sie herausfinden, ob es tatsächlich einen ›Pork Underground‹ in der Restaurantszene von Tel Aviv gibt? Ich habe von Foodie-Freunden immer wieder mal gehört, dass es in Israel eine blühende Szene von Gastronomen gibt, die Gleichgesinnten im Geheimen Speisen mit Schweinefleisch zubereiten, um dem Schweinefleisch-Tabu zu entgehen.« Lieber Jan: Ich habe herumgefragt, aber alle haben nur den Kopf geschüttelt. Schwein ist zwar in koscheren Restaurants verboten, aber die sind in Tel Aviv eher die Ausnahme – ganz im Gegensatz zu Jerusalem. Kein Pork Underground also, so schön ich die Vorstellung gefunden hätte.

Überhaupt ist Tel Aviv, verglichen mit dem Rest des Landes, besonders aber mit Jerusalem, Sin City. Auch am Sabbat, wenn ganz Israel vom Sonnenuntergang am Freitag bis zum Sonnenuntergang am Samstag den Betrieb einstellt, wird man hier noch offene Geschäfte finden, Restaurants, Clubs. Streng Religiöse gibt es natürlich auch hier, ein Strandabschnitt zum Beispiel ist den Orthodoxen vorbehalten. Sonntags, dienstags, donnerstags baden die Frauen hinter einem hohen Holzzaun – die Haare verhüllt und in langen Badekleidern –, an den anderen Tagen die Männer; am Sabbat ist der Strand zu.

Und wieder habe ich eine Menge über die SZ-Magazin-Leser gelernt. Nach meiner nichtrepräsentativen Erhebung würde ich sagen: Ein erstaunlicher Anteil von ihnen war erstens schon mal in San Francisco und hat zweitens in den Achtzigern als Erntehelfer in einem israelischen Kibbuz gearbeitet, mit den besten Erinnerungen an beides.

Und dann erreichte mich diese Mail, die mich zutiefst gerührt hat: »Können Sie bitte für einen Herrn Ulf B. ein Kerzchen anzünden oder in Tel Aviv in anderer möglicher Form seiner gedenken? Es genügt auch, wenn Sie nach dem Lesen dieser Mail kurz innehalten und an diesen – Ihnen fremden – lieben Menschen denken. Dies deshalb, weil Sie sich gerade in dem Land aufhalten, das er so geliebt und mindestens ein Dutzend Mal bereist hat. Er kannte das Land wie seine Heimat und hat mir und anderen immer davon vorgeschwärmt. Ich habe für diesen tollen Menschen über 13 Jahre arbeiten dürfen, und er ist letzte Woche vollkommen unerwartet gestorben. Er wird sich freuen, wenn jemand in seinem geliebten Israel an ihn denkt.« Liebe, liebe Frau Göhler: Das habe ich sehr gern getan und in der Jerusalemer Grabeskirche eine Kerze angezündet.

Fotos: Camillo Büchelmeier, Stefan Matzke/ sampics