Wer: Anika Decker, Drehbuchautorin und Regisseurin (u.a. Keinohrhasen und aktuell Traumfrauen)
Was: Seidenpyjama Coco von Olivia von Halle, rund 450 Euro
Warum: Würdevoll verwahrlosen
»Als Autor steuert man ja permanent der Verwahrlosung entgegen. Man ist monatelang alleine zu Hause und schreibt. Ich gehe beim Schreiben ungerne raus. Das Schlimmste wäre, wenn mich jemand zwingt zum Media Markt zu fahren. Deshalb bestelle ich alles online. Das führt natürlich dazu, dass 57 Mal die Woche ein gelber DHL-Bote klingelt. Früher habe ich die Tür immer in zerbeulten Jogginghosen geöffnet. Und immer habe ich mir eingebildet, dass mich der Postbote mitleidig anguckt. Irgendwann war fast keine Würde mehr übrig, also wollte ich mich in Schale schmeißen. Seitdem öffne ich im Seidenpyjama.
Beim ersten Seidenpyjama dachte ich noch, dass ich verhindern kann, so eine kauzige Alte zu werden, die mit sich selbst und ihren Katzen redet. Ich muss mir ja immer wieder Texte laut vorsprechen, das ist schon ziemlich creepy. Leider werde ich mit jedem neuen Pyjama nur noch spleeniger. Den ersten habe ich vor Rubbeldiekatz gekauft. Ich hatte beim Schreiben eine Figur im Kopf: eine Frau, die ihr Geld und schließlich den Halt im Leben verliert und dann luxuriös rumhängt. Ich habe auf Mode- und Shoppingseiten recherchiert, wie sie aussehen könnte und bin auf Olivia von Halle und ihren Seidenpyjamas hängen geblieben. Am Ende hat die Figur nicht ins Drehbuch gepasst, dafür bin ich selbst dazu geworden – zumindest optisch.
Wenn ich an einem neuen Drehbuch sitze, habe ich jedes Mal eine strenge Tagesroutine. Wobei sie letztlich nur dazu dient, mich vor der Arbeit zu drücken. Ich wähle meine Rituale alle in der Extended Version: Morgens wird erst einmal ausgiebig gebadet statt geduscht, danach creme, pflege, sprühe und pudere ich, streife den Pyjama über und mache mir ein möglichst kompliziertes Frühstück. Wenn ich mich endlich an den Schreibtisch gequält habe, widme ich mich erst einmal bis ins Detail dem Weltgeschehen. Danach noch kurz, wer mit wem schläft. Sobald alle gesellschaftlich relevanten Themen abgegrast sind, mache ich mich
l a n g s a m an die Arbeit. Der Pyjama ist Teil meiner Verzögerungstaktiken. Ich bin nicht sofort angezogen, sondern habe noch die Option dazu, um weiter Zeit zu schinden.
Ein Drehbuch kann richtig garstig sein, es gleitet einem immer wieder aus den Händen und dieses unfertige Ding liegt jeden Tag auf dem Schreibtisch und schreit nach Aufmerksamkeit. Die meiste Zeit drücke ich mich vor der Arbeit. Oder ich entschädige mich dafür. Ich habe einen Hang zur Maßlosigkeit und bin ein bisschen luxussüchtig. Und mit der Zeit habe ich eine Obsession entwickelt, meine Heimarbeit glamourös zu gestalten. In teure Seide gehüllt fühlt sich einfach alles besser an. Ich bin plötzlich eine reiche Erbin aus New York und kann in dieser Rolle denken: Ich wohne in der Park Avenue, ich muss ja eigentlich gar nicht schreiben. Das nimmt mir ein bisschen Druck.
Meistens arbeite ich zu Hause in München, oder wenn weg, dann weit weg. Mindestens ein Pyjama darf mich begleiten. Je nachdem wohin es geht, habe ich auch kurze Pyjamas oder nur Seidenkimonos, die über dem Bikini flattern. Man muss es sich doch so angenehm wie möglich machen. Das ist der Pyjama auch: Er ist kuschelig, bequem geschnitten, nicht zu eng. Anders, als man es von Seide erwarten würde, ist der Stoff richtig robust für Sitzmarathons. Im Home-Office trage ich den Pyjama den ganzen Tag. Wer mich darin antrifft weiß: Die befindet sich in einer Arbeitsphase.
Wäre ich Malerin, hätte ich wahrscheinlich 27 Kittel. Ich habe zehn Pyjamas. In allen Blauschattierungen von Türkis über Hellblau bis Lila. Und einen schwarzen, den trage ich besonders oft. Schwarz steht mir am besten. Der Pyjama ist meine Arbeitsuniform, wie Anzug und Troddelslipper für Unternehmensberater. Mein liebstes Bürokostüm heißt Coco. Es sieht aus wie ein Herrenpyjama aus den 20ern mit abgesetzten Paspeln und Perlmuttknöpfen. Coco Chanel war die Muse für das Design. Sie hat immer die Seidenpyjamas ihrer Liebhaber getragen. Wenn das nicht inspirierend ist, weiß ich auch nicht. Pro Film kaufe ich einen oder zwei neue Pyjamas – zwischendurch vielleicht noch einen oder zwei, wenn ich etwas unterschreibe oder eine neue Fassung abgebe.
Einmal habe ich mich ausgesperrt und stand im Pyjama auf der Straße. Seitdem ist meine Hemmschwelle extrem gesunken, das Ganze hat sich verselbstständigt. Die meisten Nachbarn haben sowieso längst den Respekt verloren. Momentan ziehe ich mir noch etwas Vernünftiges an, wenn ich eingeladen bin oder jemanden treffe. Aber wer weiß, was noch passiert. Immerhin ist der Pyjama-Look sogar ein Trend. Und Julian Schnabel läuft auch ständig tagsüber im Pyjama rum. Vielleicht wird der Pyjama ja noch die Berufsuniform für Autoren und Regisseure. Ich bin dabei.«