Folge 28: Alter, was geht?

Jetzt hat das Land einen wirklich sehr, sehr jungen Wirtschaftminister. Damit muss man als Bürger erstmal umgehen können.

Der neue Wirtschaftsminister ist jünger als ich. Nicht viel, etwas über ein Jahr nur. Das ist ein eigenartiges Gefühl. Ich kannte das bisher nicht, dass ein Mensch in so einem hohen und exponierten Amt jünger ist als ich.

Na ja, Guttenberg und ich, wir sind beide Ende 30, es geht hier nicht um „Jugend forscht“, ständig sind irgendwelche Menschen jünger als ich, über die Jahre wandert man ja altersmäßig an allen möglichen Leuten vorbei, erst an Popstars, dann an Sportlern, gerade kam ein Kollege, der sich eigentlich noch für jung hält, zur Tür rein und seufzte, ihm sei beim Fußballschauen klar geworden, dass er schon sieben Jahre älter ist als Franck Ribéry. Wenn wir das Alter von Menschen, die wir nur aus den Medien kennen, mit unserem eigenen Alter vergleichen, dann kommt für einen Augenblick das ganz Große, ganz Entfernte ganz nah. Minister, Sportler, Popstars – meistens sind sie zu weit weg, zu reich, zu weit oben unterwegs, als dass man überhaupt Ansatzpunkte fände, um groß Vergleiche zu ziehen. Eins der wenigen prüfbaren Kriterien aber ist ihr Alter, das erlaubt es für einen Moment zu fragen: Wo steht der? Und wo stehe ich? Wie weit ist der? Und ich dagegen?

Das Besondere im Fall Guttenberg ist, dass ein Wirtschaftsminister ja eigentlich ganz extrem auf Erfahrungen angewiesen ist. Der muss nicht jung und frisch und dribbelstark sein, der soll bitte jahre-, ach was, jahrzehntelang aus größtmöglicher Nähe mitbekommen haben, wie der Arbeitsmarkt funktioniert, wie Banken wirtschaften, wie sich die Konjunktur steuern lässt, und dann mit all der Macht seiner Erfahrung die richtigen Entscheidungen treffen. Würde ich mir den Job zutrauen? Auf keinen Fall. Jetzt macht ihn einer, der jünger ist als ich.

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Schopenhauer stellte fest, man merke, dass man selber älter wird, vor allem daran, „dass Leute von immer höhern Jahren einem jung vorkommen“. Als Bill Clinton 1993 Präsident wurde, kommentierte irgendein schlauer Beobachter, das sei nun eine Zeitenwende: Zum ersten Mal war der US-Präsident jünger als Mick Jagger – das altehrwürdige Amt und die ewig als jung geltende Popkultur wurden plötzlich vergleichbar. 16 Jahre später hat Deutschland einen Wirtschaftsminister, der jünger ist als ich. Ist das eine Zeitenwende? Für Deutschland nicht. Für mich schon.
Komisches Gefühl.