Neulich erlebte die Gesellschaft mal wieder eine Glanzstunde. Der Mann, der im »Franziskaner« an der Bayerischen Staatsoper seinen 90. Geburtstag feierte, heißt Gert Stenger; ein Immobilienhändler, dem halb Marbella gehört. Ein rauschendes Fest war’s, und alle wollten sie dabei sein, die Dschungelfrau Barbara Herzsprung, die Feinkostlegende Gerd Käfer, Ex-Fernsehärztin Antje-Katrin Kühnemann, Roberto Blanco, Peter Gauweiler. Am nächsten Tag huldigten die Zeitungen brav dem Senioren-Playboy mit Botox-artiger Prosa, und Stenger machte neben den blondierten Frauen aus Bogenhausen eine gute Figur.
So geht das hier immer. Eigentlich interessiert das alles niemanden, aber das ganze Jahr über müssen die Berufsschmeichler an ihre Grenzen gehen. Diese ewigen Blitzlicht-Empfänge! Die von Termin zu Termin einfach kopierten Gästelisten mit der Vroni Ferres als Stargast, der Furtwänglerin als Schmankerl, der Uschi Glas als Sensation. Und immer wieder der Schürzenträger Alfons Schuhbeck mit seinen Weißwurst-Carpaccio-Kreationen in Hummersoße. Das ganze Jahr ein einziger Event, mit freundlicher Unterstützung der bayerischen Automobilindustrie und lokaler Trachtenhersteller. Filmball, Starkbieranstich, Fernsehpreis, Charity-Saison, und dann ist auch schon Oktoberfest, und wir müssen wieder betäubt im »Hippodrom« sitzen, wo die VIP-Gänse mit den VIP-Enten neben dem Champagnerkübel konkurrieren. Dabei beschleicht einen ja inzwischen das unheimliche Gefühl, dass die Münchner Gesellschaft nur noch aus Leuten besteht, die früher höchstens Nebenrollen spielten: PR-Agenten, Partyveranstalter, Friseure, Designer, B-Models und C-Moderatorinnen füllen die Klatschspalten. Die ehemaligen Dienstleister haben die gesellschaftliche Macht an sich gerissen. Als Sensation auf dem roten Teppich verkaufen sie uns jetzt sogar die Kinder von Prominenten: »Ich muss ochsenknechten«, sagen die Kollegen, wenn sonst nichts los ist im Münchner Gesellschaftszirkus.
In Momenten größter Verzweiflung hilft nur der Gedanke, dass die Situation in Berlin noch viel erbärmlicher ist. Da müssen sie irgendwelche Sex and the City-Darstellerinnen einfliegen lassen, sonst könnten sie den Laden gleich dichtmachen. Kann man vielleicht doch von Glück reden, wenn man in München zu Hause ist? Also bitte: Wann ist der nächste VIP-Termin? Champagner, bitte!
Illustration: Dirk Schmidt