Ein Thema, über das im gerade vergangenen Sommer wenig gesprochen wurde, ist Hoden-Transpiration. Hierfür gibt es zwei mögliche Erklärung. Erstens war der Sommer nicht anhaltend heiß genug, um das Phänomen hervorzurufen. Zweitens ist es ein Problem, das nur sehr wenige Menschen und darunter auch nicht besonders viele Männer betrifft, und das, wenn es denn vorkommt, leicht in den Griff zu kriegen ist, etwa durch Ignorieren, Hosenwechsel oder kalt Duschen.
Die amerikanische Firma »Nadkins« ist hier allerdings anderer Meinung. Sie bietet ein Produkt an, das sie »Male Jewels Refresher Towelettes« nennt, zu Deutsch etwa »Erfrischungstücher für Männerjuwelen« (wobei im Deutschen umgangssprachlich eher der Begriff »Familienjuwelen« gebräuchlich ist, was eine kulturell bedingt unterschiedliche Vorstellung von Funktion und Besitz derselben signalisiert). Eine Einzelpackung kostet 12,50 Dollar (ca. 11,20 Euro), das monatliche Abo 30 Dollar (ca. 26,80 Euro). Dafür kriegt man heutzutage keine anständige Tageszeitung mehr, und sie würde einem auch nicht so gut die Klöten trocknen.
»Nadkins« ist ein Kunstwort, zusammengesetzt aus der letzten Silbe von »gonads« (umgangssprachlich für »Hoden«) und »napkins« (Serviette). Die Produktbeschreibung verspricht: »Inhaltsstoffe wie Aloe Vera, Allantoin und Vitamin E reinigen sanft und befeuchten empfindliche Haut, beruhigen angenehm und hinterlassen ein erfrischend kribbelndes Gefühl, das man erlebt haben muss. Subtile Zitrus-Minz-Duftnote.« Was einerseits nach klassischer Kosmetikprosa klingt, andererseits, als hätte man sich eins von diesen Zitronentüchern, die man oft mit dem halben Hähnchen gereicht bekommt, in die Hose gesteckt.
Was nebenbei die Frage aufwirft: Wenn man sie brauchte, wie und wo würde man die »Nadkins« benutzen? Sie sind offenbar für unterwegs, denn zu Hause hat wohl auch der härteste Mann fließend Wasser und ein Handtuch. Schwenkt man also, bevor das Essen kommt, im Restaurant kurz ein »Nadkin« Richtung Begleitung, zwinkert und sagt: »Du verstehst« und verschwindet kurz auf der Toilette? Oder sind die Tücher so verpackt, dass man sie mit einer Hand unterm Tisch öffnen und sich so auch während des Meetings Kühlung und Trocknung verschaffen kann? Und was dann? Wohin damit? »Nadkins«, ihr ergebt keinen Sinn.
Trotzdem gibt es längst ein Konkurrenzprodukt namens »Dude Wipes«, zu Deutsch etwa »Mackerwische«. Die Botschaft dieser Produkte ist klar: Nachdem die Kosmetikindustrie jahrzehntelang Frauen überflüssige Hygieneartikel verkauft hat, werden nun endlich die Männer als Zielgruppe für Produkte entdeckt, von denen man nicht wusste, dass man sie brauchen soll, bevor es sie gab. Falls jemand nämlich wirklich unter nassen Säcken leiden sollte, hätte er ja bisher und weiterhin durchaus die Möglichkeit, auf klassische Erfrischungstücher zurückzugreifen, oder auf Babytücher, Produkte, die schon sehr lange und deutlich billiger auf dem Markt sind.
Aber offenbar gibt es eine ausreichend große Anzahl von Männern, die Angst hat, nicht auf sie gegenderte Produkte zu benutzen. Deshalb gibt es unter anderem bereits Waschpulver für Männer: »Das Distinctive Waschpulver verleiht deiner Wäsche eine angenehm-maskuline Duftnote aus Amber und Sandelholz. Und weil das umweltfreundliche Produkt schon bei niedrigen Temperaturen gründlich sauber macht, musst Du Dir auch keine Gedanken machen, was Du alles in die Waschmaschine stopfst.« Endlich können also auch Männer waschen. Und Schokolade und Marzipan essen, was ihnen bisher kaum möglich war, aber nun gibt es »Niederegger Männersache Apple Bourbon«, »ein ideales Geschenk für echte Männer«. Womöglich kann und muss man auch den amerikanischen Präsidentschaftswahlkampf in diesem Kontext verstehen: Damit kein echter, im Schritt schwitzender Mann in die Verlegenheit kommt, eine Frau wählen zu müssen, gibt es extra auch einen idealen Kandidaten für echte Männer, sozusagen das Hodenfeuchttuch unter den US-Politikern.
Illustration: Joe Webb