DIN A Sex

»Wieviel Sex pro Woche ist ideal?«, fragen sich viele Paare. Wissenschaftler behaupten, einmal mache am zufriedensten. Schuld sind Nachbarn und Bekannte.

Kanadische Wissenschaftler von der University of Toronto haben bei der Befragung von 30.000 Amerikanern herausgefunden, dass Menschen, die einmal in der Woche Sex haben, am zufriedensten sind. Amerikanische Wissenschaftler von der University Colorado haben beim Abgleich mit soziologischen Studien erkannt, warum das so ist: Menschen sind dann glücklich mit ihrer Sexfrequenz, wenn sie davon ausgehen, dass sie genau so viel Sex haben wie anderen Leute in ihrer Alters- und Einkommensgruppe. Alle vermuten, die anderen hätten einmal in der Woche Sex, darum sind sie am glücklichsten, wenn sie auch einmal in der Woche Sex haben.

Es steht uns nicht zu, in Frage zu stellen, wie nordamerikanische Sexforscherinnen und Sexforscher ihre Drittmittel verschwenden, aber, mit Verlaub, da hätte man auch leichter drauf kommen können. Es ist einfach die natürliche Frequenz: Etliche Dinge, die nicht so überlebenswichtig sind wie Frühstück oder Tageszeitung, an die man sich aber gewöhnt hat und die man auch irgendwie mag, finden genau einmal pro Woche statt. Zum Beispiel Fischtag in der Kantine, Tatort und Anne Will, Skatrunde, Bundesligaspieltag, Kanzlerinnen-Video-Podcast, Turnverein, Casual Friday, Mickey-Maus-Heft. All das gibt es genau einmal pro Woche, wie Sex. Der wissenschaftlich erforschte Sex ist das Mickey-Maus-Heft der festen Beziehung: regelmäßig, zuverlässig, und die »Überraschungs-Extras« kommen einem nach ein paar Jahren alle bekannt vor.

Früher hieß es immer, deutsche Paare hätten durchschnittlich zweieinhalb Mal pro Woche Sex, die Zahl geisterte jahrelang durch die Fachpresse, wäre aber von vornherein leicht zu widerlegen gewesen: Niemand will zweieinhalb Mal die Woche Sex haben, genauso, wie niemand zweieinhalb Fischtage oder Skatrunden pro Woche will, und wenn die Leute zweieinhalb Tatorte in der Woche wollten, wären sie ja ins Kino gegangen, um dort Til Schweigers anderthalb Extra-Tatorte zu schauen. Wollten sie aber nicht. Weil einmal pro Woche perfekt ist, erstens leicht zu merken, und zweitens erfüllt es ein gewisses Bedürfnis nach Regelmäßigkeit und Verlässlichkeit.

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Der letzte Punkt macht die Sexfrequenz möglicherweise für einen Fall für das Deutsche Institut für Normung. Oder? »Eine Norm ist ein Dokument, das Anforderungen an Produkte, Dienstleistungen oder Verfahren festlegt«, definiert das DIN. Nur ist partnerschaftlicher Sex im Allgemeinen kein Produkt und keine Dienstleistung, aber durchaus ein Verfahren, oder zumindest ist die Situation, wenn die Frequenz nicht stimmt, verfahren. »Normen entwickeln diejenigen, die sie später anwenden«, so das DIN weiter. In diesem Fall: Alle haben einmal die Woche Sex, weil sie denken, das soll so. Daher: Check! »Damit der Markt die Normen akzeptiert, sind eine breite Beteiligung, Transparenz und Konsens Grundprinzipien bei DIN.« Weil alle das so machen, machen das alle so: Check! »Jeder kann einen Antrag auf Normung stellen.« Hiermit erledigt.

Die Einzelheiten des Verfahrens bleiben den individuellen Bedürfnissen der Anwenderinnen und Anwender vorbehalten, bis auf einige Eckdaten, die der Normierung zugrunde liegen: die physische Anwesenheit beider Partner ist wünschenswert, im Sinne der Norm aber nicht erforderlich, ebenso ist der Bekleidungs- und Berührungsgrad skalierbar von null bis ganz schön viel. Abgesehen von der rechteckigen Unterlage und der Beleuchtung nach europäischer Innenraum-Norm sieht die Partnersex-Norm (»DIN A Sex«) lediglich bindend vor, weiter bei allen Umfragen und am Ende von heiteren Abendessen im Freundeskreis anzugeben, man habe einmal die Woche Sex, damit auch weiterhin alle zufrieden sind.

Illustration: Eugenia Loli