Das Wichtigste vorweg: Es ist völlig in Ordnung, nicht zu masturbieren. Zwar beruhen große Teile der insbesondere westlichen Kultur auf dem Prinzip der ständigen Selbstbefriedigung, aber dennoch soll sich niemand ausgegrenzt fühlen, der es nicht tut. 83 Prozent aller Menschen weltweit masturbieren oder haben dies mal getan haben, bleiben noch 17 Prozent Nicht-Masturbierende übrig: hunderte Millionenen Erwachsene auf der ganzen Welt. Ja, man muss es vielleicht so sagen: Überall, wo fünf Erwachsene in einem Raum sind, masturbiert fast einer gar nicht; zumindest statistisch gesehen.
Natürlich gilt es, jeden Lebensstil zu respektieren. Aber können wir davon ausgehen, dass die restlichen 17 Prozent wirklich deshalb nicht masturbieren, weil sie andere Zeitvertreibe vorziehen, oder weil ihr erfülltes partnerschaftliches Sexualleben ihnen für diese Tätigkeit keine Zeit lässt? Müssen wir im Dienste der Allgemeinheit nicht ausschließen und verhindern, dass Menschen allein deshalb nicht masturbieren, weil sie nicht wissen, wie es geht? Obwohl sie es gern täten, wenn sie wüssten wie?
Da das Wort »masturbieren« nach mittelalterlichem Verständnis vom lateinischen Wort für Hand kommt und modern übersetzt also so viel wie »auf Handbetrieb schalten« oder »gern Handarbeit machen« bedeutet, ist die Hand das A und O bei der Masturbation. Tatsächlich ist die Hand für den Uneingeweihten auch Hürde und Hemmschuh bei der Masturbation. Oft ist die Hand mit etwas anderem beschäftigt, statt zu masturbieren. Etwa mit dem Schreiben, um nur ein willkürliches Beispiel zu nennen. Sich zu befriedigen, während man mit beiden Händen schreibt, wäre nicht Masturbieren, sondern Schubbern: ganz anderes Thema. Oder die Hand backt einen Kuchen oder bohrt mit Hilfe eines ihrer Finger in der Nase; diese Dinge geschehen zum Teil ganz unwillkürlich, wie von allein, die Hand hat ihren eigenen Kopf.
Für eine gelingendes Masturbationsleben gilt es daher entweder, eine liebevolle Beziehung zur Hand aufnehmen, oder sie zu überlisten. Ersteres mag glücken, indem man beispielsweise im Laufe des Tages, am Arbeitsplatz oder in der Freizeit, hin und wieder den Blick zärtlich auf der Hand ruhen lässt und in Gedanken zu ihr sagt: »Na, du, wir beiden haben nachher noch was Schönes vor, nicht?« (Dies laut auszusprechen, kann je nach Kontext jedoch zu Ausgrenzung oder Zivilklagen führen.) Überlistung der Hand funktioniert zum Beispiel so, dass man sie unter einem Vorwand auf Mission südlich der Körpermitte schickt, auf der Suche nach einem Jucken, und ehe die Hand wieder backen oder schreiben kann, voilà, Masturbation.
Man darf die Hand nur zu nichts zwingen. Zwar sollte man sie nicht vermenschlichen, aber sie ist doch mehr als ein Werkzeug. Darum ist der Händedruck in vielen Kulturen ein so zentrales Begrüßungsritual, dass sich den 17 Prozent womöglich nie erschließen wird: Es bedeutet nicht, »Hier, ich hab' keine Waffen, meine Hand ist leer«, sondern »Hier, fühl mal, gut, oder?«
Illustration: Sammy Slabbinck