Sexy Santa

Der Weihnachtsmann ist das neue Sexsymbol, die so genannte »Santaphilie« ist im Kommen. Sollten also nicht alle Männer mehr wie er sein?

Berichten zufolge herrscht in der Bevölkerungsgruppe der zumeist heterosexuellen Männer Unklarheit darüber, was im derzeitigen gesellschaftlichen Klima von ihnen erwartet wird bzw. wie sie sein sollen. Gefühlvoller Partner, aber bitte kein Weichei. Kraftvoll, kompromissbereit, ein engagierter Vater und erfolgreich im Job. »Kein Wunder, dass der Mann von heute verwirrt ist«, schreibt das »Handelsblatt«, einschlägiges Fachorgan des verwirrten Mannes von heute. Immer wieder wird beklagt, Männer hätten keine Vorbilder mehr, an denen sie sich auf dem Weg in neue Rollenverhältnisse orientieren könnten. Und hartnäckig hält sich das Ergebnis einer umstrittenen Studie, der zufolge emanzipierte Männer für ihre Partnerin sexuell weniger attraktiv sind.

Es zeichnet sich nun aber möglicherweise eine Lösung dieser vielfältigen männlichen Dilemmata ab. Seit einiger Zeit lässt sich nämlich der Anstieg einer sexuellen Besessenheit mit dem Weihnachtsmann beobachten. Auf einschlägigen Internetseiten tauschen sich Frauen aus, die sich zur so genannten »Santaphilie« bekennen. »Ja, den Weihnachtsmann-Fetisch gibt es wirklich!« vermeldet etwa trendzz.com. Von dieser Entwicklung kann man sich auch auf einschlägigen Pornografie-Aggregatoren-Seiten überzeugen: Mittlerweile steht bei etwa einem Drittel der Weihnachts-Pornos der Weihnachtsmann selbst im Mittelpunkt, traditionell waren es immer Darstellerinnen in Nikolausmützen.

Falls »Der Mann von heute« (Handelsblatt) also wirklich verwirrt sein sollte, falls es ihm an Vorbildern und Sex-Appeal fehlt, dann kommt also mit den bevorstehenden Festtagen auch endlich die Antwort auf all die verwirrenden Fragen, es kommt endlich der Leitwolf, das Vorbild, Mr. Sexy Klaus himself: Männer, seid wie der Weihnachtsmann!

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Die sexuelle Anziehungskraft des Weihnachtsmannes erschließt sich auf den ersten Blick: Rot ist die am stärksten sexuell aufgeladene Farbe, die traditionelle Beleibtheit des Weihnachtsmannes steht für Sinnenfreuden, sein Rauschebart für Virilität, und der überdimensionale Sack muss sich als Fruchtbarkeitssymbol hinter keiner steinzeitlichen Venusdarstellung verstecken. Von der Rute ganz zu schweigen.

Auf den zweiten Blick werden jedoch auch seine Qualitäten als gesellschaftliches Vorbild für den »Mann von heute« offenbar. Die Mischung macht's: der Weihnachtsmann vereint in begehrenswerter Weise sowohl die Freigiebigkeit (Sack) mit der Strenge (Rute), als auch die Authentizität (färbt sein Grau nicht nach) mit dem Spielerischen (roter Mantel mit weißem Fellbesatz, natürlich Kunstpelz). Er steht zu seinen Schwächen (Brille), hat Humor (Ho, ho, ho) und kann gut zuhören (Wunschzettel). Er ist beruflich außerordentlich erfolgreich (Vertrieb und Logistik), hält Termine zuverlässig ein (24./25.12., je nach Kulturkreis) und macht sich rar, so dass kein Überdruss entstehen kann (siehe vorige Klammer). Das heißt, der Weihnachtsmann ist der perfekte Sex-Hipster und Geschenke-Crafter mit Lebenserfahrung und immun gegen Body-Shaming.

Erste Ratgeber für Männer sind in Arbeit (»Full Santa: Vom Waschbrettbauch zur Weihnachtsmannplauze in 3 Wochen. Ohne Geräte!«), auch im Karriere-Bereich (»Das Weihnachtsmann-Prinzip: Mehr Resultate mit weniger Anwesenheit - Hauptsache, der Kunde glaubt, dass es einen gibt!«), Sex-Ratgeber sowieso (»Morgen kommt der Weihnachtsmann - und SIE auch!« usw.). Kostümverleihe beklagen mangelnde Outfit-Retouren nach dem 27., Sex-Shops können nur mühsam die Nachfrage nach weißen Bärten stillen. Und aus so genannten Politkreisen hört man, eine an der Regierung beteiligte Partei mit Personalschwäche arbeite mit Hochdruck daran, vielleicht schon für September 2017 einen neuen Kandidaten aufzubauen, der vom Nordpol kommt und in der Wolle rot gefärbt ist.

Illustration: Eugenia Loli