Die populäre Vermittlung von Wissenschaft ist eine Herausforderung. Vor allem, wenn es um Sex geht. Folgendes aktuelles Beispiel: Eine Wissenschaftlerin des interdisziplinären Forschungszentrums im isrealischen Herzliya hat mit ihrem Team nachgewiesen, dass Menschen unmittelbar nach dem Sex bereit sind, offener und ehrlicher über sich selbst zu sprechen. Durch Versuchsreihen konnte sie beweisen, dass sich diese Bereitschaft zur »postkoitalen Selbstöffnung« auch einstellt, wenn die Probanden (heterosexuelle Frauen und Männer zwischen 20 und 30) einen erotischen Film sehen, statt selber Sex zu haben. Probanden, die den Film Original Sin (2001) mit einer Sexszene zwischen Angelina Jolie und Antonio Banderas gesehen hatten, waren signifikant stärker bereit, anschließend ehrlich von sich selbst zu erzählen als solche, die einen Film über die Physiologie von Katzen gesehen hatten. Laut der Studienleiterin Gurit Birnbaum reicht sogar schon der Gedanke an Sex, um offener und mitteilsamer zu werden. Ihrer Ansicht nach wird dies durch die Ausschüttung von Neurotransmittern und Hormonen verursacht, die, vereinfacht gesagt, die Bindungsbereitschaft stärken, und nichts ist verbindlicher als Offenheit.
So weit, so gut. Die amerikanische Zeitschrift Esquire und der Londoner Independet leiten nun aus dieser Studie folgendes ab:
»Neue Studie legt nahe: Pornogucken vorm ersten Date verschafft einem womöglich ein zweites«
Was ist hier passiert? Die Kolleginnen und Kollegen von der angloamerikanischen Sexstudien-Ausschlachtung haben kurz geschlossen: Porno → sexuelle Erregung → Offenheit → Sympathie → zweites Date. Obwohl von Porno und Dates in der Studie der israelischen Forscher keine Rede ist. Wenn man nun aber eine so spannenden Schlagzeile aus dieser Studie lesen kann, dann auch allerhand anderes. Als Service für unsere internationalen Mitbemüher geben wir folgende Schlagzeilen frei:
»Alarm für Fans von Katzen-Content: Wer Katzenvideos schaut, ist verschlossen, hat keinen Sex und kriegt kein zweites Date!«
Denn, siehe oben, die Probanden, die den Dokumentarfilm über die Katzen geschaut haben (vulgo Katzenvideo), waren nicht sexuell erregt und daher weniger mitteilsam und offen als die anderen. Oder aber auch:
»Schock-Studie: Sollen Bewerber vorm Vorstellungsgespräch in Zukunft Pornos gucken?«
Denn, klar: Wenn Menschen, wie in der tatsächlichen Studie bewiesen, im Zustand sexueller Erregung ehrlicher über Niederlagen und Fehlentscheidungen sprechen, muss man nicht lange knobeln, um auf das Anwendungsgebiet Vorstellungsgespräch zu kommen. Flachbildschirm-Erotik im Personalabteilungs-Wartebereich! Weiterführende Spekulationen über Porno-Anwendung vor polizeilichen Verhören usw. optional, vorgeschlagener Zwischentitel: »So sexy wird der Polizeistaat!«
»Nackedeis enthüllt: Israelische Forscher lüften das Busen-Geheimnis der Kalender-Mädchen!«
Im Umkehrschluss kann man aus der Studie herauslesen, warum erotisches Material an bestimmten Orten besonders oft anzutreffen ist. Hängen in Autowerkstätten in Wahrheit deshalb seit Jahrzehnten traditionell Kalenderbilder barbusiger Models, damit die Kunden im Zustand leichter Erregung offener Auskunft über Nebengeräusche, Teileverschleiß und Fahrfehler geben? Die Studie legt's nahe!
»Antonio Banderas und sein Sex-Comeback: Wie der Latin Lover auf seine alten Tage junge Israelis heiß macht ...«
Dieser eher Celebrity-getriebene Auswertungsansatz eignet sich vielleicht nicht für ein 300-Zeilen-Porträt, aber definitiv für eine vermischte Meldung. Alternativ auf Angelina Jolie anwendbar.
Illustration: Eugenia Loli