Die Frage »Bin ich eigentlich gut im Bett?« treibt Frauen und Männer gleichermaßen um. So sehr, dass nach wie vor täglich im Internet und in Zeitschriften neue Listen mit ultimativen, lebensverändernden Geheimtipps für noch bessere Blowjobs, noch dolleren Cunnilingus, noch abgefahreneren Tantrasex veröffentlicht werden, mit deren Hilfe wir alle zu Giganten der Erotik werden sollen. Meistens werden diese Listen aus anderen Listen abgeschrieben und neu zusammen-esetzt, so dass sich sogar eindeutig ausgedachte, absurde und nie erprobte »Geheimtipps« von Liste zu Liste mogeln. Es geht die Legende, vor vielen Jahren habe eine Frauenzeitschriftenredakteurin nach dem Zusammensammeln von 68 Tipps für tollen Oralsex erschöpft »Beim Blasen einfach zwei Löffel ungekochten Basmati-Reis in den Mund nehmen« in die Tastatur gehämmert, um endlich die 69 voll zu haben und Feierabend machen zu können. Seitdem geistert dieser Tipp durchs Netz und man kann nur hoffen, dass er nicht für etliche Erstickungsanfälle durch versehentlich inhalierte Reiskörner verantwortlich ist.
Doch nun die gute Nachricht. Wir alle können uns die Frage sparen, ob wir wohl gut im Bett sind, sagt der kalifornische Sexualforscher Nicolas Prause im Gespräch mit dem New York Magazine. Denn es gäbe schlicht niemanden, der grundsätzlich gut im Bett sei. Das hänge nämlich einzig und allein davon ab, worauf der jeweilige Partner steht. Wenn der Partner beispielsweise darauf abfahre, angepinkelt zu werden, man dies aber nicht im Repertoire habe, dann sei man sexuell eben nicht für einander geeignet, egal, was für ein Experte man ansonsten in Sachen Erotik ist. Anstatt Sextipps zu lesen und das Kamasutra zu studieren sollten wir lieber anfangen, unseren Partner zu studieren. Rausfinden, was ihm oder ihr wirklich Spaß macht und ob uns das dann auch noch Spaß macht. Diese Aussage lässt sich auch wissenschaftlich untermauern: Studien zur Orgasmushäufigkeit junger Frauen, durchgeführt an über 6000 Studentinnen verschiedener amerikanischer Universitäten, haben ergeben, dass die sexuelle Zufriedenheit mit der Häufigkeit der sexuellen Begegnungen mit dem selben Partner stark ansteigt. Soll heißen: Je besser man einander kennt und die Bedürfnisse des anderen lesen kann, umso besser eben auch der Sex.
Womit wieder einmal bewiesen wäre, dass das einzige, was man wirklich dazu braucht um »gut im Bett« zu sein, ein paar Ohren sind, mit denen man zuhören kann. Zuhören ist ja leider ohnehin eine unterschätzte Technik, wenn es um Sex und die Beziehung zwischen den Geschlechtern im Allgemeinen geht. Seit das Thema Sexismus und sexuelle Gewalt wieder groß durch die Medien geistert, schockieren Frauen mit Erzählungen von übergriffigen Chefs, Kollegen, Lehrern, Familienmitgliedern, vermeintlichen Freunden oder gänzlich Unbekannten. Viele Männer reagieren entsetzt und fragen, warum um Gottes Willen Frauen denn nie etwas gesagt hätten. Auch Zeitungen titeln, berühmte Hollywoodschauspielerinnen brächen nun endlich ihr Schweigen, während die Schweinereien des Filmmoguls Harvey Weinstein gleichzeitig als »offenes Geheimnis« beschrieben werden. Wenn jeder wusste, was Weinstein so treibt, dann kann man daraus schließen, dass sehr viele Frauen mitnichten geschwiegen, sondern recht laut und deutlich gesagt haben, dass ihnen Gewalt angetan wurde. Es wurde ihnen nur lange nicht wirklich zugehört.
Auch bei uns gibt es jetzt viele Männer, die überrascht und betroffen reagieren, weil ihnen das Ausmaß des Problems ja gar nicht bewusst gewesen sei und sie selbstverständlich ihrerseits niemals einer Frau zunahe treten würden. Und die trotzdem schon nach drei Tagen genervt sind von Hashtagkampagnen wie #metoo oder #aufschrei, Frauenparkplätze in Parkhäusern für einen Beweis dafür halten, dass Weiber nicht einparken können, und meinen, Hugh Hefner sei Feminist gewesen.
Viel wäre im Miteinander zwischen den Menschen gewonnen, wenn alle ab und zu die Klappe halten und einfach nur zuhören würden – egal ob im Bett, in der Kneipe oder im Büro. Und wenn trotz gespitzter Ohren nichts zu hören ist, dann einfach mal nachfragen. Dann müssten all die passionierten Komplimentemacher auch keine Angst mehr haben, wild gewordene Feministinnen würden ihnen ihr Lieblingshobby wegnehmen, weil sich mit ein wenig Zuhören im weiblichen Bekanntenkreis recht schnell herausfinden lässt, wo die Grenze zwischen einem netten Flirtversuch und einer plumpen Anmache verläuft. Und wenn der Flirtversuch erfolgreich war und man tatsächlich miteinander im Bett landet, dann bitte nicht hinterher fragen: »War ich gut?«, sondern vorher fragen: »Was gefällt Dir eigentlich?«
Foto: Map-Gyver/photocase.de