Paradies ohne Klospülung

Wir stellen Ihnen jede Woche junge, talentierte Fotografen vor. Diesmal: Tine Casper, die deutsche Aussteiger im idyllischen Osten Australiens getroffen hat.

Name: Tine Casper
Geboren: 1979 in Breddorf/Niedersachsen
Ausbildung: Grafikdesign-Studium an der Hochschule für Künste in Bremen
Homepage: www.tine-casper.de



Frau Casper, Ihre Fotoserie “Antipoden” zeigt deutsche Auswanderer, die seit Jahrzehnten tief im Regenwald an der australischen Ostküste leben. Wie sind Sie auf diese Menschen gestoßen?

Bei einer Australien-Reise, die ich nach dem Abitur gemacht habe. Die Landschaft dort im Border Ranges-Nationalpark ist sehr beeindruckend, und auch die Auswanderer und ihre Lebensweise haben mich fasziniert. Inzwischen bin ich viermal dort gewesen.

Warum haben diese Menschen das Leben in Deutschland hinter sich gelassen und dort in der Wildnis neu angefangen?

Viele haben mir erzählt, dass sie die Enge in Deutschland nicht gut ertragen haben. Manche haben das Abenteuer gesucht oder sind aus Naturverbundeheit dorthin gezogen. Und dann gab es nach Tschernobyl noch einen großen Schub, weil man dort leben kann, ohne Angst vor radioaktiver Verseuchung zu haben.

Meistgelesen diese Woche:

Die Häuser, die man auf den Bildern sieht, sehen recht einfach aus.
Ja, fließend warmes Wasser, Fernseher und Kühlschränke gibt es dort nicht. Die Menschen haben sich bewusst für ein umweltfreundliches Leben entschieden und verstehen diese Entscheidung durchaus politisch, als Gegenentwurf zum Leben in den Industrieländern. Das einzige, was diese Sichtweise stört, und da leiden einige auch darunter, ist die Tatsache, dass man letztlich doch auf’s Auto angewiesen ist. Das Gebiet ist sehr weitläufig, ohne Auto ist es schwierig.

Sind die Leute dort glücklicher als hier?
Natürlich haben die auch ihre alltäglichen Probleme. Aber bei vielen spüre ich eine große innere Ausgeglichenheit. Hier gibt es immer viele Anlässe, sich zu ärgern, ob beim Einkaufen oder im Verkehr, und das fällt dort alles weg. Außerdem strahlt die Natur eine unglaubliche Ruhe aus, die auch glücklich macht.

Was sind das für Probleme, die dennoch die Idylle stören?
Ich habe zum Beispiel miterlebt, wie Leute, die ich kannte, mit viel Mühe ein paar Küken großgezogen haben. Und dann kam eines Nachts eine Python-Schlange und hat alle Küken aufgefressen. Das Hauptproblem in den letzten Jahren war aber die Dürre. Normalerweise gibt es in dem Gebiet eine richtige Regenzeit, die ist einige Male ausgefallen, mit verheerenden Folgen für die Gärten und Felder. Selbst ihr Trinkwasser beziehen die Menschen dort aus Regenwasser. Wenn das ausbleibt, müssen sie Trinkwasser kaufen.

Auf den Fotos sind auch Kinder zu sehen. Wie gefällt es denen dort?
Mit 15, 16 wird es ihnen ein bisschen langweilig, wie jedem Landkind. Aber bis dahin haben die eine Kindheit, die ich als ideal bezeichnen würde.

Kann man etwas von den Auswanderern lernen?

Wenn ich von dort zurückkomme, versuche ich jedes Mal, mir die innere Ruhe zu bewahren, die ich dort erlebt habe. Aber die Ruhe hält nur einige Wochen an, dann ist alles wieder wie vorher. Ich glaube, dass es kaum möglich ist, sich hier in Deutschland unserem schnellen Lebensrhythmus zu entziehen. Wenn man das wirklich will, bleibt einem wohl nichts anderes übrig, als auszuwandern.

Tine Caspers Fotoserie “Antipoden” ist als Buch im Eigenverlag erschienen. Weitere Informationen dazu auf ihrer Webseite.