Name: Danika Vöneky
Jahrgang: 1974
Ausbildung: Neue Schule für Fotografie Berlin
Webseite: http://www.danikavoeneky.de/
SZ-Magazin: Frau Vöneky, für Ihre Serie "Family Life" haben Sie Alltags-Szenen aus Ihrer eigenen Familie fotografiert. Wie ist die Idee entstanden?
Danika Vöneky: Es hat sich quasi aufgedrängt. Als ich mein Studium bei der Neuen Schule für Fotografie Berlin, damals noch Fotografie am Schiffbauerdamm, begann, war ich schwanger. Über die drei Jahre der Ausbildung hinweg hat sich durch die Geburt meines Kindes sehr viel in meinem Leben verändert. Familie und speziell das Kind wurden dominierende Themen für mich. Es lag nahe, in meinem Abschlussthema über dieses neue Leben zu reflektieren.
Wie haben Sie die passenden Motive aus den unzähligen Alltagssituationen ausgewählt?
Es war schon schwierig, den nötigen Abstand zu gewinnen und zu versuchen, diejenigen Bilder für den Zyklus auszuwählen, die auch anderen Menschen etwas sagen können, deren Aussage über etwas Persönliches hinausgeht. Bestimmt gibt es manche, die mit dem Thema oder den Bildern nichts anfangen können. Bei den Themen "Kind" und "Familie" scheiden sich schnell die Meinungen. Ich finde es überraschend, dass diese Sujets in der Kunst, aber auch in anderen Bereichen, eine so kleine Rolle spielen. Ich muss aber zugeben: Bevor ich selbst ein Kind bekam, fand ich es auch schnell penetrant, wenn Mütter viel über ihre Kinder oder über ihr verändertes Leben redeten. Ich dachte: Haben die denn kein eigenes Leben, keine Interessen abseits vom Kind? Erst wenn man selbst in der Situation ist, merkt man, wie tiefgreifend die Veränderungen sind, wie stark die Emotionen sind, die da erwachen. Man fühlt sich schon fast ausgeliefert. Auf den ersten Blick wirken viele der Bilder so, als könnten sie sich auch in Familienalben finden. Lediglich einige Details scheinen dem stets entgegenzustehen.
Das ist auf jeden Fall die Intention. Es sind verschiedene, oft auch gegensätzliche Emotionen, die einen bewegen. Diese Spannungen sollten zum Ausdruck kommen. Ich habe bewusst Bilder ausgewählt, die zum Teil unscharf sind, abgeschnittene Körper zeigen oder Perspektiven, die man mit der herkömmlichen Vorstellung „geglückter“ Bilder nicht auswählen würde. Ich wollte damit das Chaotische im Leben mit einem Kind fühlbar zu machen, die Querschläger, die einen manchmal auch kämpfen lassen. Oft geht es eben nicht glatt im Alltag, man braucht morgens leicht einmal eine Stunde länger, obwohl man vielleicht einen wichtigen Termin hat, weil zuerst das Müsli vom Tisch fällt, dann die Hose wieder ausgezogen wird oder weil gar nichts mehr geht und die Tochter schreiend auf dem Boden liegt, weil die Lieblingsschuhe in der Kita stehen. Da wird man schonmal ratlos, um es mild auszudrücken.
Haben Sie die Bilder arrangiert oder sind sie spontan aus Alltagssituationen entstanden?
Es sind nie konstruierte Bilder, keine Arrangements. Bei einigen Bildern hatte ich vorher schon konkrete Ideen, was ich zeigen und sagen möchte. Ich habe dann aber gewartet, bis sich die entsprechende Situation von selbst ergibt. Es gibt zum Beispiel ein Bild, das eine enge Umarmung zeigt - man sieht darauf fast nur den Hinterkopf des Kindes. Für mich ist das ein Schlüsselbild. Beinahe bekommt man den Eindruck, dass man darauf nur ein einziges Wesen sieht: Mutter und Kind verschmelzen, es ist Sinnbild der starken Verbundenheit. Und doch funktioniert das natürlich nicht, es sind eben doch zwei unterschiedliche Lebewesen, die miteinander zurecht kommen müssen. Diese gegensätzlichen Gefühle zu meistern, ist für mich das schwierigste am Familienleben.
Fast allen bildern wohnt eine gewisse Seltsamkeit inne, oft sogar Lächerlichkeit. Wieso ist Ihnen dieser Aspekt so wichtig?
Zunächst bin ich ein Mensch, der gerne lacht und Seltsamkeiten beobachtet. Darüber hinaus ist damit auch die Beobachtung verbunden, dass man sich als Mutter plötzlich für nichts mehr zu schade ist. Es klingt vielleicht kitschig, entspricht aber der Wahrheit: Man liebt das eigene Kind bedingungslos, man würde alles für dieses Lebewesen tun. Dann kann es vorkommen, dass man in der voll besetzen S-Bahn die ersten Sprachübungen des Babys nachlallt, dass man immer und immer wieder Grimassen schneidet oder komische Turnübungen macht, nur weil einem als Antwort ein unglaubliches Lachen entgegenschallt. Das sind genau die Dinge, die so manchem Beobachter am Intellekt junger Mütter und Väter zweifeln lassen.
Was wird ihr nächstes Projekt sein?
Zunächst mein zweites Kind, das im Herbst zu uns stoßen wird. Und fotografisch beschäftige ich mich im Moment mit dem Phänomen der Digitalisierung und Virtualisierung des Alltags. Ich finde es faszinierend und abschreckend zugleich, dass wir alle immer mehr Informationen gleichzeitig konsumieren. Dreijährige Kinder, und da vermischt es sich mit dem Thema von "Family Life", können heute schon selbst Videofilmchen aus dem Internet über das Handy aussuchen, aufrufen und abspielen. Wenn sie etwas auf eine Magnettafel malen, fragen sie, ob man es bitte für sie bitte ausdrucken kann.