Der eine oder andere steinzeitliche Sammler fiel tot um nach dem Genuss von unvorsichtig gesammelten Beeren, Wurzeln oder Samen. Denn auch, wenn unsere Vorfahren sicher sehr viel mehr über essbare und giftige Pflanzen wussten, als der moderne Durchschnittsmensch, so wurde dieses Wissen über Jahrtausende gesammelt – durch Versuch und Irrtum. Pilzesammler vergiften sich heute noch regelmäßig und sogar in meiner Vorstadt-Kindheit gab es einen Moment, in dem mich nur Glück vor den fatalen Wirkungen hübscher roter Beeren bewahrt hat. Mit Essen aus dem Supermarkt kommt es normalerweise nicht zu Vergiftungen. Damit Essen sicher ist, haben wir nämlich jede Menge Regeln und Gesetze. Trotzdem ist es sinnvoll beim Kochen vorsichtig zu sein, hier ein Beispiel:
Falafel beschäftigen mich schon lange, denn erstens können die kleinen Bällchen wirklich sehr gut schmecken und zweitens empfiehlt die EAT-Lancet-Kommission den täglichen Verzehr von 75 g Hülsenfrüchten für eine »Planetary Health Diet«. Das ist eine Ernährung, die unsere Welt verbessert, statt sie zu zerstören. Gute Ideen für Linsensuppe und Co. sind also wichtig. Dabei habe ich im Laufe der Jahre einiges über Falafel gelernt: Für besonders knusprige und gleichzeitig saftige Bällchen muss reichlich Grünzeug mit in den Teig. Eine Prise Backpulver macht die Bällchen fluffig. Die Hülsenfrüchte für den Teig müssen gründlich eingeweicht werden, aber roh bleiben – Falafel aus Dosen-Kichererbsen zerfallen in der Fritteuse. Das alles gilt für klassische Falafel genauso wie für Linsenpfannkuchen oder ägyptische Tamia aus Saubohnen.
Kürzlich hatte ich eine Idee, wie wir Falafelliebe mit dem Kampf gegen Foodwaste glücklich vereinen können: Nehmt, was ihr an Hülsenfrüchtenresten im Vorratsschrank findet und verarbeitet diese Reste wie Kichererbsen oder Saubohnen zu Falafeln – wenn rote oder gelbe Linsen dabei sind, dann schmecken die fertigen Falafel nicht nur gut, sondern sehen auch noch besonders gut aus. Der Test war vielversprechend, die Bällchen schön knusprig-saftig. Zusätzlich wollte ich wissen, wie gut sich meine Rainbow-Falafel einfrieren lassen. Ich warf die gefrorenen Falafel in die Pfanne und briet sie relativ heiß, also kurz. In der Mitte waren sie wohl noch etwas roh. Geschmeckt haben sie trotzdem, aber es folgte ein Tag mit allen Symptomen einer Lebensmittelvergiftung. Schuld daran sind Lektine, spezielle Proteine, die Pflanzen entwickelt haben, um Fressfeinde abzuschrecken. Die meisten Pflanzen enthalten Lektine und an viele davon haben wir uns im Laufe der Evolution gewöhnt. Doch gibt es sehr unterschiedliche Typen dieser Proteine: Lektine in Tomaten sind ungiftig, Lektine zum Beispiel aus Kichererbsen sollen sogar günstig für die Vorsorge gegen Brustkrebs wirken. Linsenlektine können wohl die Darmflora günstig beeinflussen. Lektine in Weizen sind ein eigenes Thema.
Aber Lektine aus rohen Bohnen können tödlich sein. Es gibt immer wieder Vergiftungen mit rohen Bohnenkernen. Speziell für Kinder ist die tödliche Dosis sehr gering und auch Menschen mit Autoimmunkrankheiten reagieren besonders heftig. In meinen Falafeln waren auch Borlottibohnen und die waren nicht richtig erhitzt – ein wirklich gefährlicher Fehler. Also nie, nie, nie Bohnen in die Falafel!!! Favabohnen, also Saubohnen, sind keine echten Bohnen sondern Wicken und enthalten deutlich weniger Lektine als echte Bohnen. In Ägypten sind sie die traditionelle Zutat für Tamia-Falafel. Trotzdem sollte man Favabohnen gründlich durchgaren und es gibt auch hier (wenige) Menschen, die Favabohnen wegen eines Gen-Defekts absolut nicht vertragen. Also auch mit gut verträglichen Hülsenfrüchten immer alle Falafel und ihre Verwandten langsam und gründlich durchbraten.
Bei der auf die Vergiftung folgende Recherche zu den Eigenschaften von Lektinen bin ich auf erstaunlich wenig klare Erkenntnisse gestossen, eine dänisch-tschechische Studie von 2021 erklärt immerhin die grundlegenden Zusammenhänge sehr gut – ein Fazit der Studie ist aber auch: Wenn wir für eine sinnvolle Planetary Health Diet in Zukunft vermutlich mehr Hülsenfrüchte, also auch mehr Lektine, als bisher zu uns nehmen, dann sollte das Thema viel gründlicher erforscht werden. Ich halte Sie auf dem Laufenden.
Rainbow-Falafel
Zutaten für ca. 30 Stück:
- 250 g trockene rote und gelbe Linsen, geschälte Erbsen, Kichererbsen – keine grünen Linsen/Puy-Linsen, die enthalten zu viele Lektine. Auf keinen Fall irgendwelche Bohnen – akute Vergiftungsgefahr! Linsen, Erbsen, Kichererbsen
- 100 g Kräuter (mit Stielen gewogen und gehackt) z. B. Petersilie, Minze, gerne auch ein paar Karottenblätter Petersilie, Minze
- 2 Frühlingszwiebeln Frühlingszwiebel
- 2 Knoblauchzehen Knoblauch
- 1 EL Raz el-Hanout Ras el Hanout
- 1/2 TL Backpulver
- Öl zum Ausbacken Öl
- Für den Dip
- 1 Gurke
- 1 Dose Safranfäden (0,1 g) Safran
- 1 kleine Salzzitrone (40 g) Alternative: frisch geriebene Schale von einer Zitrone Zitrone
- 200 g griechischer Joghurt Joghurt
1. Hülsenfrüchte über Nacht mit reichlich kaltem Wasser einweichen. Am nächsten Tag abgießen abspülen, abtropfen lassen, in einem hohen Gefäß mit einem Pürierstab zerkleinern, bis die einzelnen Stückchen etwa so groß sind wie Couscous-Körner. Wer will, kann die verschiedenen Hülsenfrüchte auch separat einweichen und mixen – so werden die fertigen Falafel später schön bunt.
2. Die Kräuter sehr fein hacken, mit der Falafelmasse verkneten, salzen und mit Ras el-Hanout oder mit gemahlenem Kreuzkümmel und Koriander abschmecken, dabei auch 1/2 TL Backpulver untermischen.
3. Für den Salzzitronen-Joghurt eine Gurke schälen, längs halbieren und die Kerne mit einem Löffel heraus kratzen. Das Fruchtfleisch grob raspeln, salzen und 20 Minuten ziehen lassen. Safran mit 1 EL kochendem Wasser begießen. Salzzitrone fein hacken. Gurkenraspel in einem Küchentuch auspressen (Das übriggebliebene Gurkenwasser lässt sich mit Joghurt verrühren und trinken). Gurke, Safranwasser, Salzzitrone und Joghurt verrühren, mit Pfeffer und wenig Salz abschmecken, kalt stellen.
4. Jeweils einen Esslöffel der Hülsenfrucht-Masse zu kleinen, eher flachen, ovalen Pflanzerl formen – das geht am einfachsten mit einem nassen Löffel und einem Handteller. Beim Formen die Masse leicht zusammendrücken, so dass die Falafel später gut zusammenhalten. Mit etwas Öl von beiden Seiten langsam knusprig braten, das dauert insgesamt etwa 10 Minuten.