Wie bleibt man sich selbst treu, Johann Scheerer?

Der Schriftsteller und Musiker Johann Scheerer im Interview ohne Worte über die Beziehung zu seinem berühmten Vater, Kraft in schweren Zeiten und die Frage, was man als Musikproduzent besonders gut können muss.

Geboren: 6. November 1982 in Henstedt-Ulzburg
Beruf: Schriftsteller, Musiker, Musikproduzent
Ausbildung: Abitur 
Status: Selbstrettungskraft

Johann Scheerer war 13, als vier Männer 1996 seinen Vater Jan Philipp Reemtsma entführten. Die Familie bangte 33 Tage lang um den Millionenerben des Tabakkonzerns Reemtsma. Nach der Übergabe von 30 Millionen Mark und der Befreiung des Vaters schien Scheerer etwas zu suchen, um das Trauma hinter sich zu lassen. In der Musik fand er einen Weg, dann ging es rund: Als 16-Jähriger gewann er mit seiner Schülerband »Am kahlen Aste« einen Wettbewerb, kurze Zeit später folgten ein Plattenvertrag bei Epic/Sony und drei Single- sowie eine Album-Veröffentlichung unter dem Bandnamen »Score!«, mit 22 wurde er Vater, 2009 wechselte er auf die Produzentenseite, gründete das Label Clouds Hill und arbeitete zum Beispiel mit dem britischen Musiker Pete Doher­ty zusammen. Die Vergangenheit lässt Scheerer aber nicht los. »Als ich begonnen habe, über die Entführung meines Vaters zu schrei­ben, wollte ich die Deutungshoheit über meine Lebensgeschichte zurückgewinnen, dieses traumatische Erlebnis entmystifizieren und besprechbar machen«, schrieb er in einem Artikel. In seinem Buch Wir sind dann wohl die Angehörigen. Die Geschichte einer Entführung (2018), das nun verfilmt wurde und Anfang November ins Kino kam, setzt er sich mit der Entführung aus Sicht des Kindes auseinander, in Unheimlich nah (2021) mit der Zeit danach als Jugendlicher.