Ich kenne Felix schon mein ganzes Leben. Wir sind im gleichen Dorf aufgewachsen und haben zusammen Tennis gespielt. Außerdem schlenderte er fast jeden Tag zu unserem Haus, mit fadenscheinigen Anlässen für seinen Besuch. Mal wollte er sich von mir ein Buch leihen, mal mit meinem Vater über einen Aufsatz diskutieren, den er gelesen hatte. Mein Bauchgefühl hat mir schon damals gesagt: der Felix, der findet dich gut. Ich fand ihn auch gut, zum Tennis spielen. Aber nicht für mehr.
Felix heißt eigentlich anders, aber als mein erster und einziger Verehrer nach dem Tod meines Mannes verdient er einen Decknamen. Dabei waren seine Avancen nicht gerade elegant. Felix hielt all die Jahre über Kontakt. Auch in den Ehejahren. Er besuchte meinen Mann Ulli und mich und übernachtete immer gleich mehrere Tage bei uns. Ich fand es ja eigentlich nett, einen Kindheitsfreund wiederzusehen. Ich hätte es aber noch netter gefunden, wenn er nach einem Abendessen nicht »Du hast einen Fehler gemacht, dir diesen Mann auszusuchen« in seine Serviette genuschelt hätte, als Ulli gerade auf der Toilette war.
Aber erst vor einigen Jahren legte Felix richtig los – genau zu dem Zeitpunkt, als sich in der Stadt herumsprach, dass mein Mann an Alzheimer erkrankt war. Ständig stand Felix vor unserer Wohnungstür, mit frischen Blumen in der Hand, manchmal sogar mit Erstausgaben von Büchern, von denen er wusste, dass ich sie mochte. Wenige Wochen nach dem Tod meines Mannes trug dann ein Paketbote einen großen braunen Karton die Treppe hoch. Ich schnitt das Paketband auf und sah, dass in dem Karton ein verpacktes Geschenk lag. Bestimmt Bücher, so schwer wie es war. Aufmachen wollte ich das Geschenk nicht. Ich klebte den Karton wieder zu und trug ihn zur Post. Ich war danach nicht nur wütend, sondern hatte auch noch Rückenschmerzen.
Um meine Wut zu verstehen, muss man wissen, dass Felix eine Freundin hat. Und zwar eine Freundin, der er von all den Besuchen bei mir nichts erzählte.
Ich kenne Männer wie Felix. Es sind bequeme Männer, die etwas suchen, das ich gerne als Bratkartoffel-Verhältnis zusammenfasse. Sie wollen eine Frau, die sich ganz um sie kümmert, wie eine Haushälterin. In Bratkartoffel-Verhältnissen sagen Frauen Sätze wie:
»Hier sind deine gebügelten Unterhosen.«
»Ich habe dir dein Kreuzworträtsel schon aus der Zeitung gerissen und auf den Beistelltisch gelegt.«
»Magst du heute wieder Speck im Eintopf?«
Mein Eindruck ist: Je älter und bequemer die Männer werden, desto eher suchen sie nach der Bratkartoffel-Liebe und nicht mehr nach der guten, gleichberechtigten. Das hat viel damit zu tun, dass die Männer meiner Generation noch sehr klassische Rollenverteilungen im Haushalt kennen. Aber das ist keine Entschuldigung, finde ich, so viel, wie heute über Gleichberechtigung geredet wird. Sie kennen das Konzept. Sie wollen aber lieber einen entspannten Lebensabend. Nur: den will ich auch.
Felix hat nach dem zurückgeschickten Paket wohl geahnt, dass es mit mir nicht so bequem wird, wie er sich das gewünscht hätte, und nie wieder angerufen. Gut so.