Zwei Pfund HipHop von der Straße

Am Wochenende war ich in London, und als ich vor dem Jazz Café in Camden auf und ab ging, unschlüssig, ob ich mir das Konzert der Reggae-Band The Heptones angucken sollte, sprach mich ein Rasta mit dunkler Wollmütze an. "Want to buy my hiphop cd? Only two pounds."

Ich winkte reflexartig ab, ging weiter. Nach einigen Schritten blieb ich stehen. Was hatte der Typ gerade gesagt? Zwei Pfund für eine CD? Das war nur halbsoviel wie ich ein paar Minuten zuvor für einen ungenießbaren Hamburger bezahlt hatte! Ich beschloss, dass diese CD mir heute zwei Pfund wert sein würde. Der Rastaman war sichtlich überrascht, als ich wieder vor ihm stand. "Is it really only two pounds?", fragte ich. "Yeah, man, two pounds!" Wir zogen den Deal durch und die CD Soldier Of The Tru Skool des Grand HipHop MC Yeshuah I wechselte den Besitzer.

An der nächsten Ecke blickte ich noch einmal auf MC Yeshuah zurück. Etwas verloren stand er vor dem Jazz Café auf dem Bürgersteig. Als der nächste Schwung Menschen vorbeilief, hob er seine CDs hoch und sagte seinen Spruch auf. Vergeblich. Ein Mann im Einsatz für seine Musik.

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In der U-Bahn betrachtete ich die CD genauer. Das Old-School-Thema taucht nicht nur im Titel der Platte auf, sondern findet sich auch in Songnamen wie "Tru Skool HipHop" oder "Rock The Old Skool Classic" wieder. Auch Songs wie "My Style Is Pure Conscious" oder "Nubian Intelligence" ließen erkennen, auf welche HipHop-Ära sich MC Yeshuah bezieht. Alles Pluspunkte, denn in punkto HipHop bin ich ebenfalls ein Mann der Alten Schule. Ebenso gut gefiel mir die Anzahl der Titel auf der CD: 24! Macht weniger als zehn Pence pro track.

Im Hotel legte ich die CD in den Rechner. Schnell war mir klar, dass MC Yeshuah kein unentdecktes HipHop-Genie vom Format eines Rakim oder Nas ist. Dennoch machte die CD gleich ziemlichen Spaß. Die Beats erinnerten mich an DJ Premier, Marley Marl und Pete Rock ca. 1993, die Texte an den Conscious-HipHop von Lakim Shabazz, den Poor Righteous Teachers und ähnlichen Gruppen.

"Consciousness makes us rise / The day will come when babylon dies" reimt MC Yeshuah, und dass der Ursprung der Zivilisation in Afrika liegt, vergisst er auch nicht zu erwähnen. So saß ich in meinem Hotelzimmer, hörte Yeshuahs CD und dankte ihm innerlich dafür, Erinnerungen an jene goldene Ära des HipHop geweckt zu haben.

Bei der anschließenden Internet-Suche bekam ich allerdings nur wenig über ihn heraus. Die auf der CD angegebene Website gibt es nicht mehr, allein eine Myspace-Seite stöberte ich auf, letzter Login: November 2007. Daraus geht hervor, dass MC Yeshuah schon seit den Neunzigern mehr oder weniger erfolglos im Geschäft ist und auf Kleinlabels auch schon einige Platten herausgebracht hat. In der Liste seiner Lieblings-Fußballspiele entdecke ich die schmachvolle 1:5 Niederlage der Deutschen gegen England in München. Aber was passierte '96 bei der EM, lieber Yeshuah? Denk mal lieber daran zurück!

Unter dem Punkt "Current Career Status" findet sich folgender Eintrag: "I am presently an unsigned self managed self funded artist. I welcome all serious offers for my well nurtured rapping and producing skills." Aus dem Gästebuch ergbt sich schließlich, dass Yeshuah schon vor mindestens zwei Jahren vor dem Jazz Café in Camden stand und seine Scheiben vertickte. Als ich das lese, habe ich noch mehr Respekt vor der Hingabe dieses echten Underground-Künstlers. Für seine Musik zu leben, ist eben keine Frage des Erfolgs, sondern der Überzeugung. Stay true to the old skool!