Mein Großvater war mehr als 50 Jahre mit Großmutter verheiratet. Er hat sie gepflegt, als sie langsam den Verstand verlor, gebadet, als sie das nicht mehr für nötig hielt, und sie am Ende im Pflegeheim besucht, um ihr das wirre Haar zu kämmen. Es ist mir unmöglich ihm zu erzählen, dass ich mich von Jan getrennt und meine Familie geteilt habe. Dass ich einen Arzt verlassen habe, um mit einem Schauspieler zusammen zu sein, der jünger ist als ich und Paul heißt. Er wird es nicht verstehen, denke ich.
Ich erzähle es ihm, sagt mein Vater. Er ist ein geübter Unglücksbote, vor allem in eigenen Angelegenheiten. Ich erinnere, wie er sich an mein Bett setzte, da war ich 14, und sagte, er habe sich verliebt. Da ich mit meiner Stiefmutter viel stritt, hoffte ich auf eine Veränderung und fragte interessiert: In wen? Rate mal, sagte mein Vater, es ist eine Mutter aus deiner Schulklasse. Ich zählte Namen auf. Bei jedem sagte er, nein, die doch nicht und feixte, als würden wir gerade Flaschendrehen spielen. Als er schließlich preisgab, wer es sei, hätte ich fast gerufen: Nein, die doch nicht! Stattdessen antwortete ich, toll, lächelte, und als er weg war, weinte ich.
Nicht sehr elegant, sich aus einer Beziehung raus zu lieben. Einer bleibt übrig, meist unglücklich. Und als hätte man ein Trauerjahr übersprungen, blicken Freunde nüchtern auf das, was die neue Liebe sein soll. Frieda ist jetzt mit einem anderen zusammen, sagt eine Freundin. Sie will ausprobieren, wie sich das anhört. Absurd, finden wir beide. Eine andere Freundin fragt: Du bist wohl sehr verliebt? Mehr sagt sie nicht. Ihre Zurückhaltung macht mich wütend, weil ich meiner eigenen Geschichte misstraue. Ich mag sie nicht verteidigen gegen den Argwohn der anderen. Paul trägt daran keine Schuld. Mir sind nur die Ideen ausgegangen, wie man auf die Liebe acht geben könnte, bis man dem anderen einmal das Haar aus dem Gesicht kämmt.
Hast du es ihm erzählt?, frage ich meinen Vater. Er nickt. Wir sitzen in einer Gastwirtschaft, um Großvaters 90. Geburtstag zu feiern, das erste Familienfest ohne Jan. Großvater tut so, als sei Jan verhindert und deshalb nicht dabei. Wie geht es ihm? fragt er mich. Er ist schwerhörig, dreht mir das bessere Ohr zu und liest von den Lippen ab. Gut, sage ich. Großvater ist zufrieden. Der Rest bleibt unerhört.
Illustration: Grace Helmer