Ich habe diese Wecker gekauft. Ich konnte nicht wissen, dass ihr Alarm einen Atomkrieg ankündigt. Sie waren eingeschweißt. Nun stehen sie in den Kinderzimmern und klingeln jeden Morgen etwas früher. Erst bei Martha. Dann bei Louise. Ich überlege jedes Mal, ob ich vielleicht einen frühen Flieger erwischen muss, den mir eine Redaktion gebucht hat. Interview mit einer isländischen Teilchenforscherin oder so, immer ein kurzer Schreck. Dann denke ich darüber nach, dass Billigflüge und Billigwecker in ihrer Wirkung ähnlich gesundheitsschädlich sind, bis mir einfällt - ist nur Beauty.
So nennen meine Töchter den ersten Punkt ihrer To-do-Liste. Wegen Beauty stehen sie um halb sieben auf, obwohl sie für ihren Schulweg maximal zehn Minuten brauchen. Alles beginnt mit einem Wettercheck. Ist der Himmel blau, wird es anstrengend. Sie ziehen Strandkleider an, ob Februar oder April, egal, und die muss ich ihnen ausreden. Vor dem Spiegel prüfen sie, ob sich über Nacht Locken ergeben haben. Meist nicht. Also wird gebürstet und drapiert. Dann machen sie irgendetwas mit ihren Gesichtern, schwer auszumachen was, und anschließend darf ich sie nur noch aufs Haar küssen.
Mich berührt diese Prozedur. Wir sind jetzt große und kleine Damen, die sich zurechtmachen. Das Ergebnis ist durchwachsen, finde ich. Martha und Louise stellen ihre Outfits aus einem Patchworkpool zusammen, die meisten Teile habe ich noch nie gesehen. An manchen Tagen verunsichert mich das. Ich erinnere mich daran, dass ich einige Jahre die Beauty meiner Mutter kopierte. Kurzhaarschnitt, Karottenhosen, Stiefeletten. Frau sein hieß: aussehen wie Mama. Meine Töchter haben viele Vorbilder. Und natürlich wünsche ich mir, ich wäre die prägende Nummer eins. Wie andere Mütter versuche ich, mich in meinen Kindern wiederzuerkennen.
Doch Martha und Louise orientieren sich auch an ihrer Patchworkmutter und an ihren Patchworkgeschwistern. Zusammen sind wir eine Gruppe unterschiedlicher Frauen und Mädchen. Rund, schmal, gelockt. Casual, gangstamäßig, elegant. Besonders, ergänzt Louise, und meint nicht mich. Ein Glück, unsere Gruppe. Auf diese Weise erfahren meine Töchter, wie wandelbar Schönheit ist. Wie vielfältig unsere Möglichkeiten sind, als kluge und starke Frauen durchs Leben zu gehen. Sie nehmen die Unterschiede wertfrei hin. Toleranz üben müssen Menschen, die sich in Denkmustern und Lebensformen verfangen haben. Vielleicht müssen meine Kinder einmal weniger üben als ich, denke ich, als ich Martha in nichts als einem zeltweiten Grobstrickpullover verabschiede.
Illustration: Grace Helmer