Die Gewissensfrage

»In vielen Schnellrestaurants wird der Gast aufgefordert, sein Geschirr nach dem Essen wegzuräumen. Dadurch wird Personal gespart. Kommt man konsequent dieser Bitte nach, schafft man Arbeitsplätze ab – und das in einer Zeit, da bei dreieinhalb Millionen Arbeitslosen jeder Arbeitsplatzabbau vermieden werden sollte. Andererseits senkt dies für mich als Kunden die Preise fürs Essen. Wie verhält man sich richtig?« ROMAN S., DORTMUND

So unproblematisch Ihre Frage auf den ersten Blick wirkt, so schnell bringt sie einen beim Nachdenken ins Stolpern. Man landet in jeder Richtung bei einem unschönen Ergebnis. Einerseits will ich nicht zu einem Verhalten raten, das Arbeitsplätze gefährdet, und seien es die sprichwörtlichen McJobs. Andererseits geht es mir trotz Grundsympathie für den freien Konsumenten doch zu sehr gegen den Strich, seinen Dreck einfach liegen zu lassen.

Zu einer Lösung gelangt man, wenn man erkennt, dass zwischen diesen beiden Polen etwas liegt, was einem echten Dilemma entgegensteht: Ihre freie Entscheidung, ein solches Lokal aufzusuchen. Das Konzept eines Selbstbedienungsrestaurants beruht nun einmal auf der Mitwirkung des Gastes. Wer ein Frühstücksbuffet wählt, weiß, dass ihm niemand den Honig an den Tisch bringt. In der Hamburgerbude mag es als »Bitte« formuliert sein, dennoch wird das Abräumen erwartet und eingeplant. Wie meine Nachfragen ergaben, würde eine konsequente Verweigerung der Gäste in Stoßzeiten nicht nur das vorhandene Personal völlig überfordern, sondern auch viele Tische ständig mit Geschirr oder Abfall blockieren. Ich halte die »Bitte« auch nicht für einen Trick, der das Anstandsgefühl der Gäste nutzt, ihnen originäre Pflichten des Wirts aufzubürden, nämlich das Lokal sauber zu halten. Vielmehr handelt es sich um einen klassischen Deal: Sie übernehmen zusätzliche Aufgaben, dafür bezahlen Sie weniger. Das kostet Arbeitsplätze – aber das wussten Sie vorher und haben sich darauf eingelassen. Wenn Ihnen die Jobs am Herzen liegen, müssen Sie hier ansetzen. An jeder Ecke gibt es Gaststätten, in denen Ihnen mehr oder weniger nette Menschen das Essen bringen und danach abräumen. So Sie sich gegen diesen Service entscheiden, sollten Sie Ihren Teil der Konsequenzen tragen – hier in Form des schmutzigen Geschirrs.

Illustration: Jens Bonnke