Erst traf es Andrea Ypsilanti aus Hessen, dann Sarah Palin aus Alaska. Die
eine dachte, ihr Parteichef wolle ihr das Amt als Ministerpräsidentin
ausreden, die andere fühlte sich minutenlang vom Charme Nicolas Sarkozys geschmeichelt und verabredete sich mit dem französischen Präsidenten sogar zur Seehundjagd. Beide wurden Opfer eines Telefonscherzes, initiiert von einer Radiostation, um die Welt geschickt von „YouTube“. Beide Male steckte ein Stimmenimitator dahinter, der es geschafft hat, eine Frau ans Telefon zu bekommen, die sich öffentlich um ein politisches Amt bewirbt, um sie vor Millionen von Menschen lächerlich zu machen.
Lassen wir mal den Umstand beiseite, dass es zwei Frauen waren, die ins
Visier der Spaßmacher gerieten (obwohl sich da viel hineininterpretieren
ließe.) Und vergessen wir ebenfalls, dass es wirklich Spaß gemacht hat, den beiden machthungrigen Frauen beim Herumstottern und Umherschmeicheln zuzuhören. Aber es gibt nun mal intelligenten und es gibt niederträchtigen Humor. Ersterer spielt subtil mit Klischees, überrascht mit verbalen Finten und Pointen, letzterer zielt unter die Gürtellinie und bedient niedere Instinkte. Die Telefon-Aktionen gehören zur zweiten Variante.
Natürlich kann man gegen diese beiden Politikerinnen etwas haben, man muss sie nicht für sympathisch oder wählbar halten. Das heißt aber nicht, dass es richtig ist, ihnen eine Falle zu stellen und rundherum unsichtbares,
schadenfrohes Publikum zu versammeln, damit es mal so richtig ablachen kann; dröge Menschen, die zu Hause im Sessel sitzen und nur darauf warten, dass andere, die wenigstens den Mut haben, öffentlich für etwas einzustehen, stolpern, in einer Pfütze landen und sich das Knie aufschlagen.
Wer von uns würde eine bessere Figur abgeben, wenn ihm selbst derart
aufgelauert würde? Wer würde nicht jede Menge unpassender, unsouveräner Dinge von sich geben? Um Stimmung für oder gegen politische Figuren zu machen, sollte man inhaltlich arbeiten, nicht mit Telefonscherzen. Sie vorführen, sich zurücklehnen und ablachen, ist feige. Das ist schwaches Kabarett auf Stammtischniveau, für Bürger, die nur noch unterhalten werden und Schadenfreude empfinden wollen, ganz egal, welche Seite ihr Fett abbekommt. Natürlich ist das streng argumentiert, natürlich könnte man auch drüberstehen, die Sache lockerer nehmen, aber es ist die Krankheit unserer Zeit, schlechte Manieren locker zu nehmen. Der Kern solchen Verhaltens ist
kleingeistig und feige. Nicht umsonst ist die Versteckte Kamera die
biedermeierlichste Sendung im deutschen Fernsehen. Und dass Andrea Ypsilanti keine Mehrheit im hessischen Landtag bekommt, lag nicht an einem Telefonscherz, sondern an vier Abgeordneten, die ihrem Gewissen gefolgt sind. Dazu braucht es mehr Mut, als sich hinter einem Telefonhörer zu verschanzen.