Alle Diversity-, Equity- und Sonst-Was-Officer da draußen mal aufgepasst. Der Job ist ja gerade der Trendberuf in der neuen, »woken« Modewelt – Chanel hat einen, Prada, Gucci natürlich sowieso. Wie also würden Aufpasser die folgende Situation bewerten: Eine große spanische Textilkette beschließt, ihr Taschen-Sortiment zu erweitern. Um ein Handwägelchen, diese angeblich ausschließlich von Omas gezogenen »Hackenporsche«, nur diesmal eben in schickem, urbanem Design. Ein Einkaufswagen für moderne Großstadteinkäufer, der gleich mal ein paar Klischees mitwegrollt – revolutionär, oder? Dummerweise hat man ihn dann in welche Abteilung einsortiert? Bei den Damen natürlich. Einkaufen ist schließlich Frauensache.
»Wie blöd kann man eigentlich sein«, werden sich die Profis jetzt denken. Da wird seit mindestens vier Jahren, seit Dior dieses wenig subtile T-Shirt über den Laufsteg schickte, über den Feminismus in der Mode geredet. Frauen tragen statt High Heels flache, gern auch mal extra dicke Sohlen, um den Geschlechter-Klischees final in den Hintern zu treten. Am besten wird sowieso nur noch genderneutral gedacht. Nicolas Ghesquière hat bei seiner jüngsten Schau für Louis Vuitton noch mal ziemlich lässig, unverkrampft und vor allem unwiderstehlich vorgeführt, wie das geht.
Und dann wird ohne Not das dumpfeste Hausfrauen-Stereotyp bedient, statt die Wagen – zwei Modelle sind es, um genau zu sein – einfach gleich in der Damen- wie in der Herrenabteilung zu listen.
Die Aufregung um den Hersteller Zara war in der spanischen Heimat entsprechend groß. Auf Social Media beschwerten sich die User, in welchem Jahrhundert wir eigentlich lebten und ob das ein schlechter Witz sein solle.
Ins Lehrbuch für das Vermarkten moderner Rollenbilder wird es die Aktion vermutlich nicht schaffen, aber erfolgreich war sie – bewusst oder unbedarft – am Ende sehr wohl. Durch die Polemik gingen die beiden »Carro de la compra« sofort viral und waren in Rekordzeit ausverkauft. Wer sich im ersten Moment noch darüber lustig gemacht hat, dass Zara jetzt ernsthaft ins Oma-Wägelchen-Geschäft einsteigt, hatte im nächsten schon den grauen oder khakifarbenen für 49,95 Euro bestellt. Mittlerweile gibt es in Spanien eine lange Warteliste, angeblich rollt bald Nachschub an. Auf der deutschen Online-Seite (hier für 59,95 Euro) sind beide Modelle noch erhältlich.
»Seit der Gang zum Supermarkt in Zeiten von Lockdown, Sperrstunde oder Ausgangssperre zum sozialen Höhepunkt des Tages avanciert, muss hier eben auch optisch alles stimmen«
Zumindest in einem Punkt lagen die Zara-Leute mit ihrem Instinkt offensichtlich richtig: Das Einkaufswägelchen ist der Corona-Gewinner unter den Gepäckstücken. Praktisch waren die Dinger schon immer, besonders für all jene, die in Großstädten ohne Auto ihren Wocheneinkauf erledigen und nicht zig Tüten schleppen können oder wollen. Übrigens Frauen wie, zumindest in Spanien, auch Männer. Aber seit der Gang zum Supermarkt in Zeiten von Lockdown, Sperrstunde oder Ausgangssperre zum sozialen Höhepunkt des Tages avanciert, muss hier eben auch optisch alles stimmen. Wenn also schon Karre ziehen, dann die richtige.
Tatsächlich haben die Zara-Designer mit ihren Entwürfen einen ordentlichen Job gemacht. Statt erwartbarem Leoprint wurde eine Steppoptik gewählt, wie sie gerade auch bei Jacken und Kleidern, etwa von Burberry oder Fendi, im Trend liegt. Eine Mischung aus »utility« und gemütlich. Dazu haben die Wagen zusätzliche Fächer vorne und hinten, plus sportliche Tunnelzüge an den Seiten. Augenweiden sind es trotzdem nicht, aber in den Eingangsbereichen (spanischer) Supermärkte, wo die Wägelchen zu Dutzenden geparkt werden, werden die Zara-Modelle jetzt wirklich so etwas wie die Hackenporsche unter den Rollwagen sein.
Übrigens haben sie mittlerweile doch noch ihren Weg in die Herrenabteilung gefunden. Ob sie dort erst später hinzugefügt wurden oder vorher nur allzu gut versteckt wurden, darauf gab es von Zara keine Antwort. Aber wer jetzt nur lange genug sucht, findet sie unter dem Reiter »Accessoires« ganz weit unten. Als die wirklich allerletzten Optionen für Männer.
Das ist die Zielgruppe: Charlize Theron
Typischer Instagram-Kommentar: »Schleppst du noch oder rollst du schon?«
Das sagt der Hamsterkäufer: »Wie viel Klopapierrollen da wohl reinpassen?«