Die Coolness von Rollwagen rangierte bislang ungefähr auf dem Niveau von Filzpantoffeln, Schnapspralinen und Eiern in Senfsoße. Eigentlich sah man nur arthrosegeplagte Senioren die praktischen Dinger beim Einkaufen hinter sich herziehen. Und Männer am sogenannten Vatertag: Sie nutzten den
Bollerwagen – einen Artverwandten des Rollwagens – vorwiegend, um damit Bierkästen zu transportieren. Nur wer also nicht mehr im Besitz seiner vollen körperlichen oder geistigen Kräfte war, griff bislang zu diesem Transportmittel.
Doch heute schleppt generell niemand mehr, auch Schulkinder rumpeln nach Touristenvorbild mit Spiderman-Rucksäcken auf Rädern über den Asphalt.
Und womöglich kommt jetzt die Wende für alle: Am Wochenende wurde Charlize Theron beim Einkaufen in Los Angeles gesehen, und sie trug dabei weder einen XXL-Shopper von Gucci noch einen handgeflochtenen Bastkorb am Arm – die Schauspielerin zog einen so genannten Hackenporsche an der Hand. Vier Räder, einfacher Gitterkorpus mit eingebauter schwarzer Nylontasche, genauso unspektakulär wie ihr Sonntagsanzug aus Trainingshose, Pulli und Balenciaga-Sneakern.
Theron, zarte 43, spazierte mit dem Ding vollkommen selbstverständlich über den Studio City Farmer’s Market, kaufte Erdbeeren, Pita-Chips, Eis für ihre Kinder, und war sich der Sprengkraft ihres Auftrittes offensichtlich gar nicht bewusst: Denn im Handwagen steckt nicht weniger als ein uraltes, aber neuerdings wieder topaktuelles Mobilitätskonzept.
Wenn jeder einen Hackenporsche hätte, könnte der Cayenne häufiger zu Hause in der Garage bleiben. Eingekauft würde nicht beim Discounter mit fußballfeldgroßem Parkplatz, sondern wie früher zu Fuß in der Nachbarschaft. Im Eingangsbereich der Supermärkte bekämen die Wägelchen eigene Parkplätze mit Schlössern, so wie es in spanischen Innenstädten noch immer der Fall ist. Dort gehen selbst Hipster mit ihren »Carritos« einkaufen, weil Parkplätze Mangelware sind und Schleppen bei Hitze noch weniger Sinn macht. Bei Aldi und Lidl würden nicht mehr tausende Einkaufswagen pro Jahr geklaut, und man bräuchte nicht mehr nur keine Plastiktüten, sondern auch keine Papiertüten mehr, die gefühlt ohnehin nur drei Packungen Reiswaffeln und einen Liter Milch aushalten.
Um mehr Autos aus den Innenstädten zu verbannen, wäre jetzt also der richtige Zeitpunkt, den Rollwagen zu promoten. Vielleicht nicht mit so einer Kampagne wie für die Fahrradhelme (»Looks like shit, but saves the earth – and your back!«). Auch nicht so überambitioniert wie der deutsche Shopper-Marktführer Anderson auf seiner Seite wirbt: mit flotten Frauen im Minikleid und dem Modell goldene »Diva« im Glitzer-Look. Wahrscheinlich bräuchte es nicht mal die Dior- oder Louis-Vuitton-Variante. Ganz normale »Utility«-Modelle und ein paar gute Testimonials: neben Theron, sagen wir, Leroy Sané, Beyoncé und Emmanuel Macron. Das würde für den Anfang schon reichen.
Was man auf dem Bild nicht sieht: Am Ende stieg Theron samt Shopper dummerweise doch noch in ihren SUV ein. An der berühmten »letzten Meile«, in diesem Fall Therons Weg zum Wochenmarkt, müsste man bei der großangelegten Imagekampagne für den Hackenporsche womöglich noch arbeiten.
Wird auch gezogen von: Senioren, Spaniern, Vatertags-Gruppen
Ebenfalls bekannt als: Rentnervolvo, Zwiebelmercedes
Typischer Instagram-Kommentar: Mal richtig einen durchziehen