Besserwisser-Bekleidung

Ein T-Shirt mit der Aufschrift »I told ya« – »ich habs dir doch gesagt« – ist der Sommertrend schlechthin. Im Land der 80 Millionen Bundestrainer, Wahlforscherinnen und Bedenkenträger trägt man es am besten ironisch.

Dieser Trend war abzusehen: Zendaya im April in New York mit »I told ya«-Shirt.

Foto: Getty Images

An alle Wahlprognosen-Hörigen, Friedrich-Merz-Anhänger und Besserwisser im Allgemeinen: Hier kommt genau das richtige T-Shirt für Sie. Es ist mausgrau und trägt die Aufschrift »I told ya«, was trotz Bildungsmisere so ziemlich jeder verstehen dürfte. »Ich hab’s dir gesagt«, oder, wenn man sich eine gespielt süffisante Intonation und das achselzuckende Emoji dazudenkt, vielleicht eher »Ich hab’s dir doch gesagt.«

Das perfekte Kleidungsstück für Menschen, die immer schon vorher wissen, was andere erst viel später kapieren oder einsehen wollen. Also eigentlich so ziemlich alle im Land der Nörgler und Klugscheißer. Damit müssen sie ihre ewige intellektuelle Überlegenheit gar nicht mehr verbal artikulieren, sondern tragen sie Martin-Luther-mäßig (hier stehe ich, ich kann nicht anders, ich bin halt so schlau) viel eleganter vor sich her.

Obendrein hat das T-Shirt eine gute Geschichte, eigentlich sogar zwei. Zendaya trägt es im aktuellen Film Challengers. Während der Promo-Tour zum Film im April wurden auch alle anderen Beteiligten mit dem Slogan auf der Brust gesehen. Josh O-Connor, Mike Faist, Regisseur Luca Guadagnino sowie Designer Jonathan Anderson.

Letzterer war nämlich für die Ausstattung des Films zuständig und wollte mit dem T-Shirt seiner persönlichen Stilikone huldigen: John F. Kennedy Junior wurde in den Neunzigern ein paar Mal mit genau so einem T-Shirt fotografiert.

Man selbst hat damals natürlich gleich gesagt: Das geht viral. Es gibt einfach zu viele Leute da draußen, die ständig alles besserwissen und dabei endlich mal cool aussehen oder mit dieser geistigen Schwäche kokettieren wollen. Und siehe da: Mittlerweile wurde nicht nur die Schauspielerin Jennifer Lawrence in dem Modell gesehen, auch auf Instagram posten sich ständig Leute mit dem T-Shirt, selbst im eigenen Freundeskreis brüsten sich die ersten Träger damit. Auf etsy kostet der Entwurf rund 20 Euro – oder 250 Euro bei Loewe, dem Label, wo Jonathan Anderson beschäftigt ist. Wussten wir ja eh längst, dass da noch die Designer-Version kommen würde.

So oder so: Amortisieren dürfte sich die Anschaffung ruckzuck. Die Einsatzmöglichkeiten sind für echte Besserwisser nahezu unbegrenzt. Die AfD räumt im Osten total ab: »Hab ich doch gesagt.« Scholz ist als Kanzler eine Niete: »Mein Reden.« Deutschland kommt mit Biegen und Brechen doch noch durch die Vorrunde der EM: »Wusste unsereiner natürlich immer.« Bekennende Nicht-Besserwisser tragen es total ironisch, alle anderen outen sich damit einfach wahlweise als Challengers- oder Zendaya-Fan oder als Trendsetter, die eben immer wissen, was gerade angesagt ist.

Festnageln lassen möchte man sich darauf nicht, aber wir wagen jetzt mal die tollkühne Prognose, dass diesen Sommer noch mehr Motto-Shirts zirkulieren. Großspurige Buchstaben sind seit den Nullerjahren nicht mehr wegzudenken aus der Mode. Hailey Bieber wurde kürzlich mit einem bauchfreien Top mit der Aufschrift »Nepo Baby« gesichtet, Olivia Rodrigo trat mit einem »Carrie Bradshaw AF« bei ihrer Tour auf, als Antwort auf die aktuelle Frage, welchen »Sex and the City«-Charakter man bevorzugt, und Rihanna sorgte letzte Woche mit dem Motto »I'm retired« für großes Aufsehen. Dass also hinterher keiner sagt, wir hätten es nicht kommen sehen.

Wird getragen von: Klugscheißern, Besserwissern und anderen Schlaumeiern
Typischer Instagram-Kommentar: »Wos host gsagt?«
Passender Film: »Der Mann, der zu viel wusste« (Alfred Hitchcock)