Gönn dir, Sawsan Chebli!

Die SPD-Politikerin trägt auf einem Foto von 2014 Rolex – wie einige ihrer Kollegen aus anderen Parteien auch. Und wird heftig dafür angegriffen. Eine Frau und Muslima mit einem solchen Statussymbol – das scheint für manche zuviel zu sein. Stilkritik einer absurden Debatte.

Foto: dpa

»Every Rolex tells a story« heißt der aktuelle Slogan der Uhrenmarke – kann Werbung treffender sein? Denn die neueste Geschichte, die geht so: Ein kleines Mädchen, dessen palästinensische Eltern einst geflohen sind, wächst mit 12 Geschwistern in zwei Zimmern in Berlin-Moabit auf, studiert nach der Schule Politikwissenschaften und steigt erst ins Auswärtige Amt, dann zur Staatssekretärin in der Berliner SPD auf. »Was für eine Erfolgsstory!«, will man an dieser Stelle bereits rufen. Aber die Geschichte geht natürlich noch weiter, es fehlt ja noch der Auftritt der besagten Uhr.

Die hat sich die Karrierefrau namens Sawsan Chebli offensichtlich irgendwann geleistet, das kann man auf Fotos von 2014 sehen, wo sie eine Rolex Datejust 36 für 7300 Euro trägt. Klassische Amerikanischer-Traum-Dramaturgie also. Seht her! Jeder kann es schaffen! Strengt euch an! Dummerweise spielt diese Geschichte aber in Deutschland, weshalb statt stürmischem Beifall der Shitstorm losgeht: Als »Anwältin der kleinen Leute« könne man unmöglich eine Luxusuhr tragen. »Alles was man zum Zustand der Sozialdemokratie 2018 wissen muss«, kommentierte ein Nutzer auf Twitter. Die Luxussozen sind also Schuld am Dilemma der SPD. Kann man sich nicht ausdenken so was.

Politiker sollen sich also gemäß ihrem Parteibuch anziehen. Spielen wir den möglichen Dresscode mal durch: Bei AfD konservativ (Stehkragen und Perlenohrringe, siehe Modekolumne von vergangener Woche), bei der CDU grau in grau, bei den Grünen nur Bio-Baumwolle und bei der SPD möglichst, ja was – prollig? Daran hielt sich bekanntlich schon der Brioni-Kanzler Gerhard Schröder nicht. Im Endeffekt konnten die Genossen dann ganz gut mit seinem Style leben. Es zeugt von einem fragwürdigen Weltbild, tradierte Insignien des Erfolgs (zu denen eine teure Uhr gehört) nur einer alteingesessenen Oberschicht zugestehen zu wollen. Wer definiert diese eigentlich?

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Und was wäre im Fall Chebli die bessere Wahl gewesen? Eine betont modische Swatch oder mittelpreisige Uhr von Fossil? Sind 100 Euro für eine Staatsdienerin mit 8900 Euro Gehalt okay oder falsches Understatement? Eine Fake Rolex? Die Kommentare auf Twitter dazu will man sich gar nicht vorstellen. Womöglich wäre eine vererbte Vintage-Rolex ein guter Kompromiss gewesen. Leider schwer aufzutreiben bei einer Familie, die in Berlin früher Holz hacken musste, weil Kohle zu teuer war. Das antwortete Chebli ihren Hatern, bevor sie sich von Facebook verabschiedete.

Die Moral aus der Geschichte: Du kannst es schaffen, aber nie so richtig. Also schon, aber bitte zeig es nicht gleich allen. Und freu dich nicht zu sehr. Vor allem nicht als Frau. Halt den Ball flach, gerade wenn du Muslima bist. »Der Shitstorm gegen Sawsan Chebli zeigt jeder muslimischen Frau in Deutschland: wie du es machst, ist es falsch,«, schrieb der Welt-Journalist Alan Posener auf Twitter, »trägst du Kopftuch, bist du unaufgeklärt. Trägst du Minirock, bist du eine Hure. Bist du auf Hartz IV, belastest du das Sozialsystem. Bist du erfolgreich und trägst eine Rolex, bist du unglaubwürdig.« Genau so ist es. German Alptraum.

Trägt man mit: Selbstbewusstsein
Wird auch getragen von: Joschka Fischer und Christian Lindner
Passende Songzeile: Haters gonna hate.