Dreitagebart, schmaler hellblauer Anzug, weißes Ripp-Unterhemd, weiße Sneaker und, wichtiges Detail im Monat April - keine Socken! So moderierte Volksmusik- und Schlagerstar Florian Silbereisen vergangene Woche „Das Große Schlagerfest" im Ersten. Betont lässig, »flott« wie die Kernzielgruppe sagen würde. Wenn die ARD noch irgendwo Einsparpotential sucht, können sie bald die Garderoben von Kai Pflaume und Silbereisen zusammenlegen. Die Volksmusik ist also auch optisch in der Mitte der Gesellschaft angekommen.
Das muss mittlerweile ganz schön voll sein in dieser vielbeschworenen Mitte. Da tummeln sich bereits Kate, die Herzogin von Cambridge, die auf ihrer Indienreise neben Designerkleidern auch Topshop und 6,60-Pfund-Ohrringe trug und sich damit weit weg von der stilistischen Peripherie ihrer verstorbenen Schwiegermutter bewegt, Obama, der im Garten gern mal »Dad Jeans«, also gewöhnliche alte Levi's Jeans trägt, dazu die AfD, Chrystal-Meth-Abhängige, Offshore-Kunden – und jetzt eben auch Volks-/Schlager-Hipster. Alle mittendrin.
Echte modische Randgruppen gibt es damit immer weniger, nicht mal Rentner machen noch mit beim ewigen Beige und tragen längst Jeans und Sneakers, allerdings sind sie weise genug, die Strümpfe anzulassen, statt knöchelfrei zu gehen.
Aber ist das jetzt gut, wenn allmählich alle im modischen Mainstream mitschwimmen, oder nicht doch ein bisschen eintönig? Im Falle von Florian Silbereisen natürlich gut, wie die Bild-Zeitung schon lange wusste, als sie titelte: »Vom Trachtenheini zum heißen Eisen!« Allein die Unterhemden-Nummer wirkt deutlich männlicher als die Janker und Glitzeranzüge von früher. Ein bisschen »Richard Gere by Herb Ritts«-Flair aus den Achtzigern, deshalb zog Silbereisen das Sakko bei einer Performance am Samstag auch gleich aus. Moderatoren in Unterwäsche: dass man das im Öffentlich-Rechtlichen noch erleben darf! Hoffentlich kommt Markus Lanz jetzt nicht auf falsche Gedanken.
Letztlich liefert Silbereisen – Motto: »Volksmusik macht Spaß! Auch wenn's nicht jeder zugibt ;-) – mit seinem Mitte-Look die ultimative Hilfestellung für all jene, die eigentlich schon lange mitschunkeln wollten, denen das Umfeld aber immer ein bisschen zu peinlich erschien. Jetzt sehen die Stars dort auch nicht mehr viel anders aus als Robbie Williams oder Justin Timberlake, tätowiert ist der Flori auch längst – ein riesiges Abbild seiner Freundin Helene Fischer bedeckt seinen gesamten Oberarm. Die hat kürzlich übrigens eine ruckzuck-ausverkaufte Modekollektion für Tchibo entworfen. Macht offensichtlich auch Spaß, auch wenn's nicht jeder zugibt.
Wird getragen von: ARD-Moderatoren und anderen Stars
Typischer Instagram-Kommentar: Schunkelst du noch oder pogst du schon?
Das sagt der weibliche Volksmusik-Fan: Die Helene hat's ja immer gewusst!
Das sagt der männliche Volksmusik-Fan: So ein Schiesser-Hemd hab ich auch noch im Schrank
Foto: Gettyimages / Franziska Krug