Hipster nach Maas

Was passiert, wenn ein Politiker mal nicht im Anzug vor die Kameras tritt, konnte man am Sonntag an Heiko Maas sehen. Der Außenminister kam zur Präsidiumssitzung der SPD als Berliner Hipster – was in den sozialen Medien gleich wild kommentiert wurde. Über wen sagt das nun am meisten aus?

Maas-Anzug: Der Außenminister in Lederjacke und Hightop-Sneaker

Foto: dpa

Wenn in der Ära Kohl ein Politiker in Strickjacke vor die Kameras trat, war die Lage meist ernst. Da war jemand offensichtlich direkt vom Sonntagsbraten wegbeordert worden, keine Zeit noch die Zivilkleidung abzulegen. Je gemütlicher die Kleidung, desto ungemütlicher oder ungewöhnlicher damals die Lage der Nation.

Jetzt darf man annehmen, dass Heiko Maas sehr wohl wusste, dass am gestrigen Sonntag noch dieser Termin anstand: die Präsidiumssitzung zum Auftakt der SPD-Klausurtagung, Auswege aus der tiefen Krise der Partei suchen, diffizile Angelegenheit. Eher kein Tatort am Abend mit Freundin Natalia Wörner auf dem Sofa. Trotzdem hielt es der Außenminister offensichtlich nicht für nötig, sich umzuziehen, sondern erschien in lässiger schwarzer Hose  und weißen, knöchelhohen Turnschuhen von Nike am Willy-Brandt-Haus.

In den Berliner-Ausgeh-Kiezen laufen am Sonntag tausend andere Männer so durch die Gegend. In einem der von Jens Spahn so geliebten englischsprachigen Cafés etwa würde der Außenminister einfach in der Masse untergehen. Im politischen Berlin hingegen ist so ein Auftritt ein deutliches Statement. Nur wofür?

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In den sozialen Netzwerken sorgte das Outfit jedenfalls für helle Aufregung. Manche veranstalteten Wettbewerbe für die witzigste Bildunterschrift, andere erklärten »die Erneuerung der SPD« mit diesem Auftritt von Maas für abgeschlossen. Ein »New Look«, wie damals bei Dior, geboren aus den Trümmern der Sozialdemokratie. Lässige Lederjacke statt Schröders aufgesetzten Brioni- oder Schulz’ untersetzten Out-of-Würselen-Anzügen. Maas kann das tragen. Und deswegen tut er es eben auch, er hat schließlich einen Ruf zu verteidigen. Schon als Finanzminister wurde er von der GQ, dem Zentralorgan für modische Männer, 2016 zum bestangezogenen Politiker gewählt. Allerdings ist das Feld der Mitbewerber hierzulande auch eher schwach. Ist die Aufregung, wenn einer mal was wagt, deswegen so groß?

Wer die Instagram-Profile von jüngeren Politikern wie Jens Spahn, Julia Klöckner, Christian Lindner oder Robert Habeck betrachtet, sieht zwischen der üblichen Anzug- und Kostüm-Normalität seit einer Weile auch immer wieder, was die Politiker privat gerne so tragen, im Urlaub, beim Wandern, beim Sonntagsspaziergang in der Heimat… Heiko Maas testet seinen Lederjacken-Look dagegen im Dienst aus – fürs erste sicherheitshalber nur an einem Sonntag. Bei Twitter kommentierte er die Aufregung um seine Kleiderwahl heute damit, dass er beim nächsten Termin wieder Anzug trage, Zwinkersmiley.

Letztlich hat der Außenminister sich hier wahrscheinlich für ein Outfit entschieden, das im Englischen »go to Outfit« oder »Security Blanket« genannt wird. Kleidung, in der er sich für einen ganz konkreten Anlass am sichersten fühlt, quasi: In außergewöhnlichen Zeiten zu bewährten Mitteln greifen. George W. Bush hatte seine Cowboy-Montur, Obama seine Dadjeans, Maas hat seine Slim-Fit-Lederjacke. Für eine Krisensitzung nicht die schlechteste Wahl. Nur am Halstuch mit dem Pariser Knoten sollte er vielleicht noch arbeiten. Trägt Jogi Löw zwar auch. Aber so eine Schlinge um den Hals – vielleicht nicht der beste neue Look für die neue SPD.

Wird auch getragen von: Werbern, Stuttgarter Tatort-Kommissaren, GQ-Redakteuren
Typischer Instagram-Kommentar: »SPD: Stylishe Partei Deutschlands?«
Das sagen die Jusos: »Das sollte eigentlich unser neuer Look werden«