Seit Samstag werden wahrscheinlich überall auf dem Planeten weiße Hosenanzüge und Schluppenblusen gekauft. Zeitgleich dürften sehr viele T-Shirts mit Kamala Harris’ großen Worten gedruckt werden: »Ich bin zwar die erste Frau in diesem Amt – aber ich werde nicht die letzte sein.« Nebenbei ist da natürlich noch jemand, der hier Geschichte schreibt: Ihr Ehemann Douglas Emhoff wird ab 20. Januar Amerikas erster »Second Gentleman« sein. Das klingt als Titel natürlich erst mal reichlich bescheuert, was aber eben auch daran liegt, dass es diese Rolle bislang nicht gab.
Die Aufgaben der Ehefrauen von Staatsoberhäuptern sind mehr oder weniger klar umrissen: an seiner Seite stehen, Gutes tun, gut aussehen. Bei Melania Trump kam am Ende noch gute Miene zum bösen Spiel dazu, beziehungsweise einfach keine Miene zu irgendwas machen. Werden die gleichen Parameter (pre-Melania, versteht sich) auch für das männliche Pendant gelten? Passende Aufgaben lassen sich sicher finden, um die Weihnachtsdeko des Weißen Hauses kümmert sich eh Dr. Jill, aber rein kleidungstechnisch ist der Neuling Douglas Emhoff im Vergleich zu seinen weiblichen Vorgängerinnen natürlich benachteiligt. Eher unwahrscheinlich, dass demnächst ernsthaft recherchiert wird, welches Label er da zu welchen Anlässen gerade trägt.
Der Rechtsanwalt Emhoff macht ohnehin nicht den Eindruck, als seien Äußerlichkeiten seine Agenda – und womöglich liegt die halbe Nation dem Mann genau deshalb schon jetzt zu Füßen. Weil er in seinem Auftreten so unglaublich normal, mit seinen durchschnittlichen Jeans, Chinos, Polohemden geradezu dadcorehaft daherkommt und seine Rolle eher als »First Fan« seiner Frau zu definieren scheint. »Dad. Kamala Harris Hubby. Lawyer« steht in seiner Instagram-Bio, genau in dieser Reihenfolge. Vater, Kamala Harris Ehemann, Anwalt. Auf fast jedem Bild, das er dort teilt, ist auch seine Frau zu sehen. Und sei es im Fernseher hinter ihm, wo sie gerade auf CNN ein Interview gibt.
Die designierte Vizepräsidentin ist Emhoffs zweite Frau, sie lernten sich bei einem Blind Date 2013 kennen, ein Jahr später hielt er um ihre Hand an, wohl auch eher rührend denn professionell-romantisch zwischen einer fundamentalen »Pad Thai mit Chicken oder Shrimps?«-Frage. In den letzten Monaten konnten die Leute gar nicht genug davon bekommen, wie verliebt sich die beiden Mittfünfziger weiterhin anstrahlen. Der Guardian schrieb, Harris und Emhoff seien die 2020er Neuauflage von Jen und Brad, nur in politisch. Die Washington Post fand sogar, Harris sei nicht mehr nur Hoffnungsträgerin für People of Color und Frauen im Allgemeinen, sondern auch für all die weiblichen Singles jenseits der 40. »Sucht weiter! Dein Doug ist irgendwo da draußen.«
Ohne jetzt gleich wieder eine Genderdebatte von den Picket Fences brechen zu wollen – würde man so auch von einer First- oder Second Lady schwärmen? Über Mrs. Mike Pence wurde in den letzten vier Jahren kaum ein Wort verloren, Michelle Obama erreichte ihre größte Coolness und Popularität erst viel nach Ende der Präsidentschaft ihres Ehemanns. Andererseits: Kanzlerinnengatte Joachim Sauer, den man bei dem Thema gern mal um Rat fragen würde, flogen weitaus weniger Herzen zu. Allerdings führt er auch weder einen Fan-Account für Angela Merkel, noch hat er je groß mit ihr Wahlkampf gemacht. Er stand seiner Frau nicht im Weg, hält sich aber ansonsten weitgehend zurück. Emhoff hingegen sprang sogar, als eine Gesprächsrunde mit Harris von einem Aktivisten gestört wurde, als einer der ersten auf die Bühne, um sie abzuschirmen. »I’ve got you« ist so etwas wie sein persönlicher Liebes-Hashtag an seine Frau.
In einem Interview erklärte er, er sei eigentlich nicht besonders politisch engagiert, sondern nur ein »besondera engagierter Ehemann«
Insofern macht dieser erste zweite Gentleman schon etwas Bemerkenswertes. Er vollführt den Rollenwechsel, von dem in diesem Amt bislang nur theoretisch die Rede sein konnte, der aber auch jenseits davon noch immer selten Realität ist: Er pausiert seinen Job als Partner in einer Anwaltskanzlei in Los Angeles, unterstützt und feuert Harris bedingungslos an, tanzte sogar öffentlich »Dad Dance Moves« als er sie vergangenes Jahr auf die San Francisco Pride Parade begleitete. Neulich gab er der Frauenzeitschrift Marie Claire ein Interview, in dem er erklärte, er sei eigentlich nicht besonders politisch engagiert, sondern nur ein »besonders engagierter Ehemann«.
Lediglich als es – noch zu Harris‘ Senatszeiten – darum ging, dass die »Spouses« ein Rezept für ein Kochbuch von Melania Trump beisteuern, soll er sich ein bisschen seltsam vorgekommen sein. Aber das sollte weiblichen »Anhängseln« bei solch dämlichen Ideen heute eigentlich genauso gehen.
Typischer Instagram-Kommentar: »Oh Doug, where art thou?«
Passender Song: »I got you babe« (Sonny und Cher)Gründet eine Legt Verschickt gerade Freundschaftsanfragen an: die Männer von Merkel und Ardern