Zwei exorbitante, vor prominenten Gästen strotzende Partys in Los Angeles und Las Vegas, drei Outfits, nach deren Fertigung das weltweite Kristallvorkommen bedroht sein dürfte, ein Rolls-Royce als Geburtstagsgeschenk: Kylie Jenner hat vergangene Woche ihren 21. Geburtstag gefeiert - und zwar, wie zu erwarten, alles andere als bescheiden.
Kylie Jenner ist der jüngste Sprössling des durch die Reality-TV-Serie Keeping up with the Kardashians bekannt gewordenen Kardashian-/Jenner-Klans. Sie ist die Tochter von Kris Jenner und dem heute als Caitlyn Jenner lebenden einstigen Leichtathletik-Stars Bruce Jenner, Schwester des Models Kendall Jenner und Halbschwester von Kim Kardashian.
Und laut dem Forbes Magazine ist Kylie Jenner auf dem besten Weg, die jüngste »selbstgemachte« Milliardärin der Welt zu werden (und damit etwa an Facebook-Gründer Mark Zuckerberg vorbeizuziehen). Doch womit hat sich die gerade Volljährige, deren Name einem Großteil der deutschen Bevölkerung unbekannt sein dürfte, ihre Millionen verdient?
Mit ihrer Anhängerschaft. Kylie Jenner verfügt derzeit über 113 Millionen Follower auf Instagram, 25,3 Millionen auf Twitter und zählt zu den meistgefolgten Personen auf Snapchat. Was auch immer sie - natürlich - medienwirksam macht, trägt und tut, wird zum Verkaufsschlager.
Der US-amerikanische Online-Händler Fashion Nova (hierzulande wenig bekannt, aber unter den fünf weltweit meistgegoogelten Mode-Brands im Jahr 2017, zusammen mit Gucci, Louis Vuitton, Supreme und Chanel), schaffte es, Billigversionen von Jenners ersten zwei Geburtstagsoutfits (im Original ein pinkfarbenes Satin-Minikleid von Peter Dundas sowie ein hautenger, maßgefertigter LaBourjoisie-Einteiler, besetzt mit angeblich 70.000 Swarovski-Kristallen) einen Tag später als »Birthday Behavior«-Kollektion zu verkaufen. Die Teile sind selbstredend längst ausverkauft.
Zunächst waren viele Modemarken zögerlich gewesen, mit den Mitgliedern der Reality-TV-Familie zusammenzuarbeiten, doch mittlerweile haben auch diese den Einfluss des Clans anerkennen müssen. Für das amerikanische Streetwear-Unternehmen Pacsun entwerfen Kylie und Kendall Jenner seit Jahren die »Kendall and Kylie«-Kollektion, auch bei Topshop haben die Schwestern ihre eigene Linie; Kylie Jenner ist seit 2016 außerdem Markenpartnerin von Puma, und für Calvin Klein modeln derzeit alle Kardashian-Jenner-Schwestern zusammen.
Doch noch stärker als der Einfluss ihres Modestils (klassischerweise eine Mischung aus hauteng, minikurz, bauchfrei, stretchig und irgendwie sportlich) ist Kylie Jenners Bedeutung für die Schönheitsindustrie und -standards. Jenners über die Jahre förmlich explodierten Lippen gaben dem Internet lange Rätsel auf. Angemalt oder doch chirurgisch nachgeholfen? Im Mai 2015, mit 17, gab sie dann zu, dass sie sich ihre Lippen »wegen persönlicher Unsicherheiten« mit »temporary lip fillers« aufspritzen lasse. Daraus erwuchs ihr Geschäft. Am 30. November desselben Jahres brachte Jenner ihre ersten »Lip Kits« auf den Markt, bestehend aus einem Lippenstift und einem Lipliner, für 29 US-Dollar. Die 15.000 Sets waren in weniger als einer Minute ausverkauft und erreichten auf Ebay Wiederverkaufswerte von bis zu 1.000 US-Dollar. Mittlerweile verkauft »Kylie Cosmetics« viele weitere Make-up-Produkte und hat laut Forbes einen Wert von rund 800 Millionen US-Dollar. Das Unternehmen ist komplett im Besitz von Kylie Jenner.
Gleichzeitig ist die weltweite Nachfrage nach Lippenauffüllungen durch die Decke gegangen (ebenso übrigens die Zahl der von Celebrities vermarkteten Kosmetiklinien) und Jenners künstliche Zurechtmachung aus ständig wechselnden, oft sehr extremen Haarfarben- und schnitten, übertriebenem Augen-Make-up und Schmolllippen zum prägenden Schönheitsideal unter (nicht nur) 15- bis 20-Jährigen avanciert. Ob das wirklich schön ist, liegt wie immer im Auge des Betrachters. Bedenklich ist allerdings die Einstellung, die Jenner damit propagiert: künstlich statt natürlich, überschminken und plastisch nachhelfen - anstatt zu akzeptieren, wie man wirklich aussieht.
Doch bei aller Kritik kann man Kylie Jenner eines wirklich nicht vorwerfen: Faulheit. Sie wirft gefühlt im Wochentakt neue Kosmetik- oder Modeprodukte auf den Markt und bewirbt diese unablässlich auf all ihren Social-Media-Kanälen. Und dass diese Selbstvermarktungsmaschine so gut funktioniert, sagt vor allem etwas über unsere Gesellschaft aus.
Wird getragen von: Allen Kardashians und Jenners sowie deren Freunden und Anhängern
Wird getragen mit: Hautenger Jersey-Bekleidung, Smartphone, künstlichen Nägeln, transparenten High Heels
Nicht verwechseln mit: Donatella Versace