Das Etikett ist etwas für Eingeweihte. Nicht das im Kragen, auf dem der Name eines Luxuslabels eingenäht ist und für die Exklusivität des Entwurfs bürgt. Gemeint ist das weiße oder schwarze Schildchen in der linken Seitennaht eines Kleidungsstücks, auf dem die Materialangabe zu finden ist. Statt Kaschmir, Seide oder Bio-Baumwolle liest man dort in diesem Sommer häufig »100 % Polyester«. Die Synthetikfaser, die an Wühltische, elektrisierende Kunststoffhem-den und Körpergeruch erinnert, ist das neue Lieblingsmaterial der Modemacher. »Gerade wenn etwas als geschmacklos gilt, ist es doch richtig großartig«, sagt Marc Jacobs, der für Louis Vuitton eiskremfarbene Pullover und Röcke aus Polyesterfasern stricken lässt. Raf Simons schichtet Vierecke aus feinem Polyestergewebe zu Minikleidern für Jil Sander. Mit seinen übernatürlich leuchtenden Farben und außergewöhnlichen Oberflächen bringt Polyester eine zeitgemäße Exzentrik in die Mode – knitterfrei, haltbar und pflegeleicht. Alber Elbaz drapiert mehr als die Hälfte seiner Kollektion für das französische Modehaus Lanvin aus superleichtem »Poudre de Satin«. Was aussieht wie gewaschene Seide, kommt aus einem japanischen Chemielabor, das Land ist führend in der Entwicklung von Hightech-Fasern. Übrigens: Um Polyester herzustellen, wird Erdöl benötigt (Polyethylenterephthalat), und das könnte schon bald zu einem sehr teuren, raren Stoff werden. Spätestens dann wird jeder verstehen: Polyester ist ein luxuriöses Material.
Heiße Ware
Das könnte anstrengend werden: Polyester versucht ganz unauffällig ein Comeback in den neuen Sommerkollektionen.