Jedes Mal, wenn Strick wieder als Modetrend postuliert wird, denkt man: Wolle mag zwar das Herz wärmen, aber elegant geht anders; in den Neunzigern der Country-Look mit Zopf- und Norwegermustern? Zu öko, zu kratzig. In den Achtzigern diese Pullover von Iceberg mit den Tiermotiven drauf? Indiskutabel. Oder im letzten Jahr die ganz groben Maschen? Passé. Sie verwandelten selbst dürre Mädchen in Matronen. Am schlimmsten aber: die ewige Assoziation mit Selbstgestricktem zu Weihnachten und Kreativkursen in der Lüneburger Heide.
In dieser Saison nun sorgten die Designer endlich dafür, dass aus Strick doch noch ein guter Freund werden könnte: Sie kombinierten Handwerk mit Kunst, und heraus kam nicht Kunsthandwerk, sondern Mode, die wie moderne Malerei aussieht. Die junge Londonerin Clare Tough zum Beispiel strickt Graffiti auf Kleidungsstücke, die man sich am liebsten rahmen und an die Wand hängen würde. Beim amerikanischen Label Rodarte dagegen hat der Strick mehr Luft als Maschen. Daraus haben die Designerinnen Laura und Kate Mulleavy Kleider gezaubert, die so luftig und filigran sind wie Spinnenweben. Und man sagt sich staunend: Das gibt’s doch gar nicht! Vielleicht ist es aber auch als Warnung an alle Stricklieseln gedacht: Finger weg! So was können nur Könner.