»Andere Platten zu hören, wäre für mich wie Fremdgehen gewesen«

Als Kind hörte Patrice nichts anderes als Bob Marley – bis er zufällig in einen Laden in der Kölner Innenstadt spazierte. Hier spricht der Sänger über die sieben Lieder, die sein Leben geprägt haben.


#1 »Vocab« von Fugees

Ich hatte diesen Walkman und eine Kassette von meiner Schwester. Auf der einen Seite war der Soundtrack der »Rocky Horror Picture Show«, auf der anderen Seite war »Burnin’« von Bob Marley. Das war meine einzige Kassette, ich habe sie die ganze Zeit gehört. Irgendwann blieb ich auf der Bob-Marley-Seite hängen. Musik von anderen Künstlern habe ich nie gekauft, das wäre für mich wie Fremdgehen gewesen.
Doch dann lief ich eines Tages in den Saturn in Köln rein und dort hingen Kopfhörer über dem Cover des Fugees-Albums »Blunted On Reality« von der Decke. Ich griff nach den Kopfhörern und es lief dieses Lied: »Vocab«. Das hat mich gepackt. Es war die erste Platte, mit der ich Bob Marley untreu war.
Neulich habe ich in Paris ein Privatkonzert gegeben, da hat mir jemand erzählt, dass Wyclef Jean von den Fugees auch in der Stadt ist und in einem Hotel spielt. Ich wollte nach meinem Konzert undercover dahin. Sie haben mich aber entdeckt und Wyclef Jean hat sich voll gefreut, dass ich da war. Dabei wusste ich gar nicht, dass er meine Sachen kennt. Er hat meinen Namen gesungen und ich dachte nur: Wow.


#2 »Bad Card« von Bob Marley

Bob Marley war für mich eine Art Zuflucht, als mein Vater gestorben ist und ich aufs Internat kam.
»Bad Card« hat mich motiviert. Immer wenn ich in der Schule einen Wettkampf hatte, habe ich zu einer bestimmten Stelle des Songs gespult, auf Play gedrückt, die Stelle kurz gehört, den Walkman weggelegt und war ready. Ich war damals auf einem Internat und wir haben die ganze Zeit Sport gemacht – Leichtathletik, Basketball, Fußball, Hockey.
Die vollen Schulgebühren für Schloss Salem hätten sich meine Eltern nicht leisten können, aber es gab die Möglichkeit, mich über ein Stipendium dorthin zu schicken. Ich hatte zu der Zeit nicht den besten Umgang und meine Eltern fürchteten, dass ich ein bisschen außer Kontrolle gerate. Ich war von der fünften bis zur 13. Klasse auf dem Internat – mit Unterbrechungen zwischendrin, weil ich mich nicht immer gut benahm.
Ich wäre fast ein zweites Mal von der Schule geflogen, als ich 1999/2000 mit Lauryn Hill auf Tour ging, die damals enorm gehypt wurde. Da habe ich gerade mein Abi gemacht und bin einfach vom Internat weggelaufen, weil mir die Tour wichtiger war.


#3 »How Strong« von Ken Parker

Viele Leute haben »How Strong« gecovert, aber ich finde die Version von diesem Soulsänger am besten. Ich will Ken Parker irgendwann noch mal aufspüren, weil er, glaube ich, nie den Respekt bekommen hat, der ihm gebührt. Er stammt aus Jamaika.
Ich habe schon mehrere Monate auf Jamaika verbracht und hatte früher eine jamaikanische Band, die ich auf der Tour mit Lauryn Hill kennengelernt hatte. Als wir einmal im Stadtpark in Hamburg waren, fragte Lauryn Hill ihren Bassisten, ob er nicht eine Band kennt und er meinte, ja, der Typ hier neben mir. Der Typ neben ihm war ein Jamaikaner gestrandet in Hamburg. Der hatte eine ganze Band am Start und so sind wir dann ins Geschäft gekommen. Die Band war damals meine Familie, wir haben zusammen gelebt und alles zusammen gemacht.


#4 »Stairway to Heaven« von Led Zeppelin

Das ist wahrscheinlich der erste Song, den ich auf Gitarre gelernt habe. Ein großartiges Lied, unglaublich gut geschrieben. Es macht viele verschiedene Phasen durch wie ein klassisches Stück, sehr untypisch für einen Rock-Song. Led Zeppelin war eine enorm wichtige Gruppe für mich. Ich habe viel Gitarre gespielt – auch Songs von Nirvana, Jimi Hendrix und Guns n’Roses.


#5 »Killing In The Name« von Rage Against The Machine

Es gibt bestimmte Songs, die sind groß und haben das auch verdient. Rage Against The Machine ist eine Art Movement. Die leben durch ihre Authentizität. Die Gruppe, dieser Song und das ganze Album waren krass zu der Zeit als ich 14 Jahre alt und auf dem Internat war.
Dort war ich ein Exot. In Schloss Salem waren sonst sehr behütete Kinder, super viele Rich Kids, die waren ein ganz anderer Schlag Mensch als ich. Es war nicht so, dass Leute in der Schule wussten, was ich mache. Meine Musik habe ich immer rausgehalten.
Wenn wir Schulferien hatten, habe ich mein Album aufgenommen und bin mit den Black Eyed Peas auf Tour gegangen. An den Wochenenden bin ich zu meiner Backing Band nach Zürich und habe mit denen geprobt.


#6 »9mm Goes Bange« von Boogie Down Productions

Immer wenn Hip-Hop Reggae-Einschläge hatte, fand ich es besonders gut. Die »Criminal Minded«-Platte von Boogie Down Productions war wahrscheinlich die meistgesampelste Platte überhaupt in den Neunzigern, weil sie so genial war. Damals fing es in Köln gerade mit deutschem Hip-Hop an und es war enorm. Ich habe gerappt und mit meinen Kollegen Hip-Hop zelebriert, Breakdance, Graffiti und alles, was dazu gehört.
Es gibt Menschen, die stehen mehr auf Songs, andere stehen mehr auf Künstler. Ich bin ein Künstler-Mensch. Wenn ich einen Musiker gut finde, hole ich mir das ganze Album so wie bei Boogie Down Productions.


#7 »Sinnerman« von Nina Simone

Mit Nina Simone ist es wie mit Édith Piaf. Du kannst es nicht machen wie sie, weil sie die Dinge auf so eine besondere Weise interpretiert. Nina Simone hat immer die beste Version aus einem Lied herausgeholt, »Sinnerman« ist ein Beispiel dafür. Ich mag sie auch, weil sie eine Message hat. Die anderen Soul-Künstler singen die ganze Zeit über Liebe.
Eigentlich sollte Nina Simone Konzert-Pianisten werden, sie hat einen unglaublichen Kampf durchmachen müssen, um dahin zu kommen, wo sie war. Du spürst diesen Schmerz, dieses Genie an ihr und den Wahnsinn dann am Ende. Wie sie ihr Instrument, das Klavier, beherrschte, war unglaublich. Es gibt einige Künstler, die nur eine Sache wirklich können. Jimi Hendrix ist zum Beispiel unglaublich an der Gitarre, aber er war nicht der beste Sänger, genau wie Bob Dylan, der aber einer der besten Songwriter ist. Solche Künstler nehmen ihre Limitierungen und kompensieren es mit anderen Dingen, machen das zu ihrem Stil. Nina Simone ist unglaublich gut an ihrem Instrument und kompensiert sonst auch nichts, das hat man fast nie.

Foto: Barrion Claiborne