»Sie schrie laut raus, was ich an Unsicherheit in mir trug«

Die Hamburger Schauspielerin Pheline Roggan hat in Fatih Akins Film »Soul Kitchen« mitgespielt, auch privat begleitet Musik sie durchs Leben. Hier verrät sie, welches Lied ihr durch unsichere Zeiten geholfen hat - und warum sie gern allein ins Kino geht.

 Camille Richez

#1 »ATLiens« von Outkast
»Ich höre Musik an unterschiedlichen Orten mit unterschiedlichen Geräten, auch innerhalb meiner Wohnung. In der Küche habe ich einen uralten Kassettenrecorder, der ist noch aus meiner ersten WG. Daneben steht eine Kiste mit Mix-Tapes, die meisten davon haben mir Freunde geschenkt, so wie man das in den Neunzigern machte. Da ist auch eine ausgeleierte Kassette von Outkast dabei, die ist aus der Zeit, als ich viel Hip-Hop gehört habe. Heute höre ich eher andere Musik, aber ich tanze noch total gerne auf Hip-Hop, vor allem beim Kochen, und dann gern auch ›ATLiens‹ von Outkast. Dabei stand der Song mal auf meiner persönlichen Shitlist: 1996 war ich mit einer Freundin auf einem Outkast-Konzert, und es war furchtbar. Die ließen uns ewig warten, hatten dann überhaupt keinen Bock, haben nur gefühlte 30 Minuten gespielt und nach dem Konzert haben sie alle schönen Frauen zur Backstage-Party eingeladen. In den Wochen danach herrschte bei uns Outkast-Kassetten-Verbot.«


#2 »Have I told you lately that I love you« von Elvis Presley

»Vom Band kommt auch mein nächstes Lieblingslied: ›Have I told you lately that I love you‹ von Elvis. Wobei das eigentlich stellvertretend für die ganze Musik von Elvis steht. Ich liebe die gute Laune, die sie in einen Samstagmorgen zuhause mit Frühstück, Zeitunglesen und Rumkramen bringt. Das holt mich runter und stimmt mich auf ein stressfreies Wochenende ein.«


#3 »Reginac« von The Building

»Die Musik in meinem Wohnzimmer kommt vom Plattenspieler, und am Wochenende läuft darauf seit Jahren der Song ›Reginac‹ von The Building. Das ist eine relativ unbekannte Band aus Hamburg, die ich per Zufall live entdeckt habe, und ›Reginac‹ ist irgendwann zu meinem Losgehlied geworden. Bis heute spiele ich es laut, bevor ich abends weggehe - einmal, das reicht, die Nachbarn wissen dann schon Bescheid. Dieser Bass, diese Intensität, das ist großartig.«


#4 »So ne Musik« von Deichkind

»Auch aus meiner Heimatstadt Hamburg, aber ein bisschen bekannter als The Building, sind Deichkind. Ich hab eine lange gemeinsame Geschichte mit denen, wir haben mal zusammen in einem Theaterstück gespielt. ›So ne Musik‹ steht auch für meinen Deutschrap-Hintergrund insgesamt. Das war eine besondere Zeit, als Hamburg im Zentrum dieser Bewegung stand, und ich mich fühlen durfte, als sei ich voll dabei. Die Jungs von den Absoluten Beginnen sind auf meine Schule gegangen und auf den Hip-Hop-Partys im Goldenen Pudel tanzte alles von Jan Delay über Samy Deluxe bis zu Afrob und den Fünf Sternen. Bis heute tanze ich auf ›So ne Musik‹ sehr gerne sehr doll.«


#5 »I’m a victim of this song« von Pippilotti Rist

»Der Song hat mich während meiner Zeit auf der Schauspielschule begleitet. Damals wusste ich nicht, wohin das alles gehen wird und war generell sehr emotional unterwegs. Von Pippilotti Rist fühlte ich mich verstanden, sie schrie laut raus, was ich an Unsicherheit und Sehnsucht in mir trug. Überhaupt liebe ich es, wenn Künstler so krass aus sich herausgehen können.«


#6 »Naked if I want to« von Cat Power

»Diesen Song werde ich nie vergessen. Ich hörte ihn auf dem ersten Konzert, zu dem ich alleine gegangen bin. Ich wollte damals nicht abwarten, ob sich jemand von meinen Freunden oder Bekannten auch eine Karte besorgt, ich wollte da einfach nur hin. Das war ein intensives Erlebnis, persönlich und intim. Es ist ja etwas ganz anderes, wenn man Musik alleine hört, dann entfaltet sie eine besondere Wirkung, man nimmt sie irgendwie unverfälscht war. Ich gehe auch gern allein ins Kino und lass den Film eine zeitlang auf mich wirken, ohne ihn mit irgendjemand anderem durchzukauen.«


#7 »Maschin« von Bilderbuch

»Ich habe zwei Filme mit der österreichischen Regisseurin Marie Kreutzer in Wien gedreht. Zur Vorbereitung hat Marie uns Musik geschickt, sie hat so in unseren Köpfen eine Art Soundtrack geschaffen. Manche der Songs schafften es dann tatsächlich in den Film, andere nicht, aber ihr ging es vor allem darum, dass wir ein Gefühl für die Geschichte entwickeln. Bei ›Was hat uns bloß so ruiniert‹ war ›Maschin‹ von Bilderbuch dabei, so bin ich auf die Band gestoßen. Ich stehe auf die Texte von Bilderbuch, auch wenn ich mir nicht sicher bin, ob ich sie wirklich ganz verstehe.«

Foto: Camille Richez