»Wir hatten wahnsinnige Angst, verklagt zu werden«

Kurz vor dem Kinostart seines neuen Films verrät Bully Herbig seine sieben liebsten Kino-Soundtracks – und auch die tragische Geschichte von der Musik des »Schuh des Manitu«. 

1) The Imperial March (Darth Vader's Theme) aus Star Wars – John Williams

»Ich bin mit Star Wars aufgewachsen – der Film ist sicher einer der Gründe dafür, warum ich heute selbst so gerne Filme mache. Ich weiß noch, wie ich das erste Mal dieses Raumschiff gesehen habe, das auf der Riesenleinwand über mich drüber flog. Einen Film so beginnen zu lassen – das gab’s vorher nicht. Als ich beim letzten Star-Wars-Film Rogue One im Kino saß, habe ich die ganze Zeit nur auf den Auftritt von Darth Vader gewartet. Ein guter Film braucht einen guten Bad Guy – der Bad Guy ist eigentlich noch wichtiger als der Held. Und der beste Bad Guy der Filmgeschichte ist Darth Vader – gerade durch die Entwicklung, die er durchmacht. Ich saß wirklich im Kino wie ein kleiner Junge. Star Wars ohne Darth Vader ist nicht denkbar, und dass ihm John Williams diesen Evergreen, diesen Marsch geschrieben hat, der eigentlich relativ simpel daher kommt – das hat mich immer fasziniert. Es sind oft die einfachen Melodien, die man sich gut merken kann. Ich glaube, John Williams hat mich musikalisch erzogen.
Viel später, nach dem Start von (T)Raumschiff Surprise, hatte ich dann die Chance, die Skywalker Ranch in San Francisco zu besuchen. Das war 2004, damals lief (T)Raumschiff Surprise in Deutschland besser als Star Wars – Episode 3. Ich bekam eine E-Mail, ob ich die Skywalker Ranch anschauen will, ich schrieb, klar, gern, und dann kam: George is very excited. Ich schaute meine Frau an: Welcher George? Und dann saß ich bei George Lucas im Büro, die ersten zehn Minuten habe ich wie in einem Traum erlebt, weil ich es nicht fassen konnte. Wie damals als Zehnjähriger, der das Raumschiff auf der Leinwand sieht. Das verbinde ich auch ein Stück weit mit der Musik.«

2) Main Theme aus Schindlers Liste - John Williams

»Ich hatte mir damals die Musik schon gekauft, bevor ich den Film gesehen habe – und allein sie hat mich schon unglaublich berührt und fasziniert. Wie John Williams es schafft, einerseits mit großem Orchester bombastische Filmmusik zu erzeugen – und dann andererseits nur mit einer Geige und einer Melodie so mitten ins Herz zu treffen: Das ist große Kunst. Ich halte – ganz abseits der Tragik der Geschichte, die der Film erzählt – den Soundtrack für einen der besten, die es je gegeben hat. Und natürlich bewundere ich auch Steven Spielberg sehr. Es gibt ja diese Geschichte: Angeblich hat Billy Wilder, wenn er geschrieben und gedreht hat, immer an sein großes Vorbild Ernst Lubitsch gedacht. How would Lubitsch do it? So geht’s mir mit Spielberg. Auch wenn ich längst nicht dasselbe Budget und dieselben Möglichkeiten habe: Wenn ich vor einer Szene hocke, frage ich mich oft: Wie würde der das machen? Und dann kommen mir manchmal auch wirklich Ideen – natürlich habe ich keine Ahnung, wie er es machen würde ... aber es inspiriert mich.«

3) »An der schönen blauen Donau« - Johann Strauß

»Johann Strauß. Ein Klassiker. Es gibt Leute, die denken, der Walzer wäre für den Soundtrack für 2001 – Odyssee im Weltraum komponiert worden. So ist es natürlich nicht, und deshalb finde ich es so genial, was Kubrick da gemacht hat: ein altes, weltbekanntes Stück zu nehmen und so auf eine Szene zu legen, dass es wirkt wie genau dafür geschrieben. Und witzigerweise hat genau dieses Stück dafür gesorgt, dass ich begonnen habe, mir auch mal andere klassische Komponisten anzuhören, auch Mozart und Puccini oder Wagner. Wenn Wagner heute leben würde, hätte er den Soundtrack zu Lord of the Rings geschrieben – hundertprozentig. Und diese Bilder, die die Komponisten seitdem im Kopf entstehen lassen, das ist nichts anderes als Kino. Sehr viele der großartigen Komponisten wären heute wahrscheinlich Filmkomponisten geworden. Weil sie genau das bedienen können, was da gebraucht wird: Sie können Visionen, Bilder und Gefühle erzeugen. Übrigens auch bei Komödien, sehr vieles, was Strauß geschrieben hat, schreit geradezu nach Slapstick.«

4) Der Schuh des Manitu - Hauptthema

»Für mich gibt’s ein Leben vor dem Schuh des Manitu und eins danach. Zur Filmmusik gibt es leider eine leicht tragische Geschichte, was mir vor allem für den Komponisten Ralf Wengemayr sehr leid tut. Bevor wir zum Dreh geflogen sind, habe ich ihn gebeten: Gib mir mal ein Thema mit. Wenn ich eine Szene inszeniere, lege ich mir immer ganz gern Musik auf die Ohren – und bevor wir den Take drehen, spiele ich das Stück auch den Schauspielern vor, damit wir in das Gefühl hineinfinden. Gerade bei einem Western habe ich festgestellt, dass alle gleich eine ganz andere Haltung einnehmen, wenn die entsprechende Musik läuft. Das macht etwas mit den Leuten, ich mag das wahnsinnig gern. Ralf hat also das Schuh-des-Manitu-Thema vorab schon geschrieben, ich war begeistert, fand es wunderbar. Dann kam der Film ins Kino – und plötzlich entstand eine gewisse Unruhe, weil es hieß, dieses Thema hätte es schon mal gegeben. Ein anderer, ziemlich bekannter Komponist hat sich bei uns gemeldet und erklärt, dass er eine bestimmte Tonabfolge in seinem Winnetou-Musical verwendet habe. Leider kannte niemand von uns dieses Musical, wir haben dann Ewigkeiten nach einer Aufnahme gesucht, irgendwann waren fünf Anwälte mit der Recherche beschäftigt – und es war in der Tat so, dass sich ein paar Takte geähnelt haben. Die Crux liegt nun aber darin: Bei Musik, die nach Western klingen soll, bleiben einem nicht viele Möglichkeiten, das basiert immer auf bestimmten Mustern, nach der letztlich auch die Star Wars-Melodie funktioniert – das ist, wenn man genau hinhört, auch Westernmusik. Naja, jedenfalls hatten wir alle wahnsinnige Angst, verklagt zu werden und den Film aus den Kinos nehmen zu müssen – und deshalb habe ich, während der Film noch lief, Ralf gebeten, die Musik umzuschreiben. Und so kam’s, dass das Schuh-des-Manitu-Thema aus der Fernsehversion des Films ein anderes ist als im Kino.«



5) Der mit dem Wolf tanzt – John Barry

»Es gibt viele gute Western, dieser gehört zu meinen Favoriten. John Barry hatte sich vorher schon mit der Musik zu James Bond ein Denkmal gesetzt; So einen Wurf zu machen grenzt an ein Wunder: Ein Thema aus den Sechzigern, das sich so lange hält, das auch heute noch Kraft hat, fett daherkommt und auch für modernes Actionkino steht. Danach kam höchstens noch Mission Impossible, aber abgesehen davon ist das einmalig, damit hätte er eigentlich aufhören können. Er hat sich aber hingesetzt und mit Jenseits von Afrika und Der mit dem Wolf tanzt zwei weitere Klassiker geschaffen - die Größe und die Melancholie, die darin steckt, ist unglaublich. Der Western ist für mich das vielseitigste Genre, das es gibt. Da ist alles erlaubt: Mord und Totschlag, Liebe, Abenteuer, Tragik, Pathos – ein Western darf so ziemlich alles. Das können andere Genres nicht, und das wird gern unterschätzt. Als wir den Schuh des Manitu begonnen haben, hieß es oft: ein Western, naja, wen soll das denn interessieren. Dabei gibt es kein zeitloseres Genre. Einen guten Western kannst Du immer machen. Er muss halt nur gut sein.«

6) «Axel F« - Beverly Hills Cop - Harold Faltermeyer

»In den Achtzigern hat man sich wahnsinnig über die Siebziger amüsiert. Heute weiß man, dass die Achtziger das Schlimmste an Frisuren und Klamotten hervorgebracht haben, was man sich nur vorstellen kann. Das gilt auch für die Filmmusik: Die Musik aus Terminator zum Beispiel ist zum Teil unerträglich, richtig schlimmes Synthie-Psycho-Gedöns. Das beste, was in den Achtzigern an Synthie-Filmmusik hervorgebracht wurde, war »Axel F« aus dem Film Beverly Hills Cop – das hat immerhin Stil, macht gute Laune und passt zum Charakter des Films. Ich war damals enorm stolz, dass es ein deutscher Komponist geschafft hat, so einen Hit zu schreiben, der damals auch in Clubs und Diskotheken lief.«

7) Thema aus dem Intro der Bullyparade

»Ich wusste damals noch nicht mal, wer das komponiert hat – das war alles ein riesiger Zufall. Ich habe vor der Bullyparade viel Radio gemacht, hatte im Studio immer zwei Koffer voller CDs dabei – unter anderem des Musikverlags Sonoton, die Musik für Werbung und Dokumentationen anbieten und lizensieren. Die habe ich oft verwendet. Dann haben wir den Opener gedreht – der Rote Teppich, die Limousine, aus der die verschiedenen Figuren aussteigen. Der wurde sehr aufwendig produziert, mit Storyboard und einem eigenen Regisseur. Als der Schnitt fertig war, standen wir alle im Schneideraum, mir gefiel alles wunderbar – nur die Musik passte nicht. Wir haben ein paar Alternativen probiert, dann sagte ich: Ich glaub, ich hab was. Ich holte meine Koffer, erwischte durch Zufall sofort die CD, die ich suchte, und sagte: Da, das ist was, das könnte passen. Wir haben den Opener dazu laufen lassen – und, kein Witz, die Musik hat sogar zum Schnitt gepasst. Auf einmal hatte das Ding Tempo, es machte Laune; alle haben mich mit großen Augen angeschaut, und ich war selber baff und hab gesagt, ich hab das nicht geplant. Klar, jetzt ist das Stück durch uns gebrandet – aber ich habe mich schon damals gefragt, warum dieses tolle Thema so unbekannt ist, obwohl es so vertraut klingt. Es hatte aber vor uns wirklich noch niemand verwendet.«

Der neueste Film von Bully Herbig, »Bullyparade – Der Film«, läuft ab 17. August im Kino.

Foto: Marco Nagel