Pommes mal ganz anders

Es mag sonderbar klingen, Fritten im Teig essen zu wollen. Aber es geht beim Pommesbrötchen ja auch um viel mehr. Die Geschichte eines leckeren, aber seltsamen Gerichts.

Illustration: Alice Berti

Wenn ich jemandem, der nicht aus Hagen stammt, vom Pommesbrötchen erzähle, läuft der restliche Dia­log immer gleich ab.
»Du meinst Pommes im Frühstücksbrötchen?« (Nein, im Döner-brötchen.)
»Und das schmeckt?« (Ja.)
»Ist das nicht wie Nudeln mit Reis?« (Weiß nicht, hab ich nie gegessen.)
»Und das schmeckt wirklich?« (Ja.)
Und nicht ein einziges Mal hat jemand, der nicht aus Hagen stammt, schließlich gesagt: »Dann muss ich das mal probieren!«

Hagen. Perle des Ruhrgebiets. Wenn auch eine graue, abgenutzte, klebrige Billigperle aus dem Kaugummiautomaten. Und nicht so richtig Ruhrgebiet, sondern etwas weniger cool auf der Grenze zwischen Pott und Sauerland gelegen. Da komme ich her, und da gibt es Pommesbrötchen an so ziemlich jeder Imbissbude. Fladenteig, kurz im Grill erwärmt, darin Pommes bis über den Rand, und dann »halb und halb«, also halb Mayo und halb Ketchup, aber nicht diese eklige Raststättenmayo und nicht dieser Supermarktketchup, sondern am besten beides hausgemacht, die rote Sauce etwas dünnflüssiger als die weiße, sodass sie ein wenig, aber nicht ganz, durch die Pommes sickert. Das obere Drittel der Pommes mit dem Imbissgäbelchen runteressen, dann das Gäbelchen weglegen und vom Rand weg abbeißen. Ein Gedicht aus Zart und Kross, Warm und Heiß, Süß und Säuerlich, Trocken und Cremig. Im »Noma« kriegen sie das nicht hin. Aber beim »Mikado«, das ist die Imbissbude in Hagen, die das Pommesbrötchen am besten kann. Satt und selig für 2,30 Euro.

Doch dann zog ich weg. Ich war zwanzig und fand in München an keiner Imbissbudentafel das Wort Pommesbrötchen. Verstand München nicht und die Welt auch nicht mehr. Bat einen Imbissmann, der Dönerbrötchen und Pommes hatte, darum, das eine in das andere zu tun. Er sagte, so etwas mache er nicht. So muss es dem Saarländer ergehen, wenn er feststellt, dass woanders niemand Schwenkbraten kennt, oder dem Norddeutschen ohne sein Labskaus. Mit dem Pommesbrötchen hatte ich einen Teil meiner Identität in Hagen zurückgelassen, von dem ich gar nicht gewusst hatte, dass er einer ist.

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Ich wüsste gern, woher das Pommesbrötchen stammt. Wer es erfunden hat. Und warum man es offenbar nur in Hagen und ein paar Kilometer hinter den Stadtgrenzen bekommt. In weiterer Entfernung gibt es ein paar Verwandte. Etwa das Hippiebrötchen, verbreitet in Hessen, aber da nehmen sie vor allem Frühstücksbrötchen. Oder den Chip Butty in Großbritannien, aber da nehmen sie zwei Toastscheiben oder ein Brötchen. Oder das Sandwich américain in Frankreich, aber da nehmen sie am liebsten Baguette und stopfen zusätzlich zu den Pommes noch alles rein, was sie als Nahrung erkennen. Ich habe es probiert und es den Tauben gegeben. Nein, das ist alles einfach nicht das Gleiche.

Vor Kurzem war ich in Hagen. Die Geschichte des Pommesbrötchens kennt dort aber anscheinend niemand. Kein Mensch, der in Imbissbuden arbeitet, wusste weiter, auch Stadtarchiv oder Kulturreferat nicht. Heinrich Heine schreibt in Deutschland. Ein Wintermärchen: »Wir kamen nach Hagen schon gegen drei, / Da ward zu Mittag gespeiset«, er erwähnt Sauerkraut, Stockfische und »gestovte Kastanien im grünen Kohl«, aber keine Pommesbrötchen, bestenfalls die »Würste im spritzelnden Fett« kommen dem nahe. Das Pommesbrötchen wurde also wohl nach Heine erfunden. Vermutungen meiner lokalen Gesprächspartner weisen auf die Achtzigerjahre – und auf meine Lieblingsbude »Mikado«. Deren heutige Betreiber wissen aber auch nichts Genaues, und den früheren Chef habe ich nicht aufgetan.

Schlimmer war, dass »Mikado« zuhatte. Urlaub. Ich musste in einen anderen Imbiss, dort schmeckte es nicht so doll, der Fladen zu zäh, die Saucen zu plump, vergessen wir das. Aber: Während mein alter Freund Chrisi – meine Hagener Freunde werden bis heute ­allesamt auf etwas gerufen, das mit i endet – uns zu dieser Bude fuhr, erzählte ich ihm von meinen Pommesbrötchen-Recherchen.
»Ich weiß, wer es erfunden hat«, sagte er.
»Was, echt?«, sagte ich. »Wer?«
»Ich«, sagte Chrisi.

Er erzählte, er sei es gewesen, der zu Schulzeiten mit unserem gemeinsamen Freund Kassi beim »Kochlöffel« (andere Imbissbude) die Idee gehabt habe, Pommes und ein Brötchen zu bestellen und dann das Brötchen mit den Pommes zu füllen. Lange habe es nicht gedauert, dann habe das um sich gegriffen, und man habe quasi überall in Hagen Pommesbrötchen bekommen, dann halt im Dönerteig.

Ich weiß nicht, ob Chrisi wirklich der Erfinder ist. Ich glaube nicht. Aber es ist eine schöne Vorstellung. Jetzt gehören meine Freunde und mein Pommesbrötchen für mich noch mehr zusammen.