Ich habe regelmäßig Sex zu dritt. Mit meinen Nachbarn. Ich wurde allerdings nie gefragt, ob ich Lust auf Gruppensex habe. Die Wände meiner Wohnung sind sehr dünn, wir haben also "Ohralverkehr".
Wenn man kein eigenes Haus besitzt, teilt man sein Leben mit den Nachbarn. Man erfährt Dinge, die man lieber nicht wissen möchte.
Dabei dreht es sich gar nicht so sehr um familiäre Streitigkeiten, sondern um Laute, die niemals die Privatsphäre verlassen sollten. Laute aus dem Innersten der Menschen, unkontrolliert und unzähmbar. Genau: das Stöhnen beim Geschlechtsverkehr.

Und doch: Immer wieder berichten Freunde und Kollegen von "Aaaahs" und "Jaaaas", die es durch geöffnete Fenster in das heimische Wohnzimmer schaffen.
Die unerträgliche Steigerung dessen findet hingegen nur wenige Zentimeter neben mir statt: Nachts zwischen vier und sechs Uhr geht es bei meinen neuen Nachbarn rund. Leider stehen unsere Betten nebeneinander, nur getrennt durch eine zarte Wand. WG-Bewohner werden das nur zu gut kennen. Doch ich weiß gerade mal, wie diese Leute heißen. Dafür höre ich Dinge, die wohl noch nicht mal die engsten Freunde meiner Nachbarn wissen: Wie lange in der Regel eine Runde Sex dauert (es geht zum Glück recht schnell), wer lauter schreit (sie) und was sie dabei rufen ("Ja, fick mich! Gib Gas!"). Ich und mein Teddybär liegen währenddessen nebenan, dem Tiefschlaf entrissen, not amused. Da liegen wir und warten auf den Orgasmus, der sich durch das immer schneller werdende Tempo der aneinanderklatschenden Becken ankündigt. Die Stille der Nacht ist dabei ein entsetzlicher Geräuschkatalysator.

Auch wenn einige männliche Freunde mich um meine Wohnsituation beneiden: Es ist nicht sexy. Doch was tun, klingeln und sich beschweren? "Liebe Nachbarn, bitte keinen Sex mehr, ich höre alles." Oder einen Brief schreiben: Verlegen Sie den Sex doch auf den Nachmittag - da bin ich in der Arbeit.

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Ich habe Ohrstöpsel gekauft und viel Wein vorm Schlafengehen getrunken, damit ich auf keinen Fall mehr aufwachen kann. Doch die Lösung scheint sich von allein zu ergeben: Aus der anfangs noch heißen Liebe, die sich nicht anders zu helfen wusste, als mitten in der Nacht zu explodieren, wird gerade eine gemütliche Beziehung. Manchmal höre ich den Fernseher, dafür kann ich jetzt meist nachts durchschlafen.