Erst ein Kind kriegen, dann den Partner suchen

Jede Woche erklärt Charlotte Roche, wie das Leben sein sollte. Erste Folge: Warum sollte eine Frau, die gerne Mutter sein möchte, auf den perfekten Mann warten? Es geht auch ohne.

Roche sagt jede Woche, wie das Leben sein sollte

Foto: Julia Sellmann

Jetzt, in meinem Alter, ich bin vierzig, gibt es folgendes Problem mit mehreren Freundinnen: Es ist auf der Kippe, ob sie ihr restliches Leben als Mutter verbringen oder nicht. Ich rede jetzt nur von den Freundinnen, die ganz klar einen Kinderwunsch äußern, und zwar lange schon. Die, die Tränen in den Augen haben, wenn sie ein Baby oder Kleinkind sehen, die immer jedes Baby die ganze Zeit aufm Arm halten wollen, auf der Straße Babys hinterhergucken. Die, bei denen ich denke, OH MEIN GOTT WÄREN DIE BESTIMMT GUTE MÜTTER!

Mich macht es wahnsinnig, ihnen dabei zuzusehen, wie sie Jahre verplempern. Sooo viel Zeit haben wir Frauen leider nicht, was Kinder kriegen angeht. Danke, Natur! Meine Freundinnen verplempern wertvolle Jahre auf der Suche nach dem perfekten Vater für ihr Kind. Hallooo, den gibt es nicht. Ich habe schon bei mehreren diese Suche scheitern sehen, und da war in deren Kopf alles aneinander gekoppelt: Ich brauch erst den perfekten Mann, Liebhaber, Freund, einfühlsam, aber auch hart, wenns passt, Humor muss er haben, er muss zusammenziehen, Wohnung einrichten, bausparen wollen, ich warte, bis er mir einen Antrag macht und erst dann bekommen wir ein Kind. Zack, ist man zu alt, die Eier vertrocknet.

Und bei unserer schlimmen extrem viel zu langen Lebenserwartung heutzutage muss man dann noch ca. 50 Jahre damit leben, dass man in den Jahren, wo es drauf ankam, seine Prios nicht richtig gesetzt hatte.

Meistgelesen diese Woche:

Außer man ist Caroline Beil. Ich lese immer nur im Vorbeigehen die Überschriften. Den Überschriften nach ist sie mit WEIT ÜBER 50 MUTTER geworden. Das bewegt sich ja schon langsam in den Bereich, der bis jetzt nur den Männern vorbehalten war, diesen Jagger-Wickerts.

»Viele haben Angst vor Geburten ohne Mann. Aber ganz ehrlich, nachdem man eine Geburt mit Mann erlebt hat, hat man danach Angst vor Geburten mit Mann.«

Zurück zu den guten Müttern in spe, die kurz davor sind, keine Kinder mehr bekommen zu können: Wann, wenn nicht heutzutage, kann eine Frau, die selber Geld verdient, selbstbewusst ist, in einer Großstadt lebt, wo man nicht direkt auf der Straße für seinen Lebensstil gesteinigt wird, sich ein Kind holen, selber und alleine? Muss ja der fremde Mann in der Disko nicht wissen, dass das nicht ein normaler schlechter One-Night-Stand ist. Sondern ein geplanter Befruchtungsakt, genau auf die Temperatur der Frau abgestimmt, wenn die App zeigt: fruchtbarer Tag!

Die Frau sucht nach Aussehen (Hände) und Geruch (gute Gene) und von mir aus Kacksternzeichen und Humor aus. Dann kriegt sie erstmal alleine das Kind. Viele haben Angst vor Geburten ohne Mann. Aber ganz ehrlich, nachdem man eine Geburt mit Mann erlebt hat, hat man danach Angst vor Geburten mit Mann. Vielen hilft es mehr so Höhlenstyle: Mutter, Schwester, Freundin, Nachbarin, jemand von der Hundeschule mit dabei.

Ich habe manchmal den Eindruck, diesen guten, neuen, modernen Stiefvätern tat das ganz gut, die Selbstfindungsphase der Frau als Mutter zu verpassen, genauso die Stillzeit und die Monate, in denen das Baby sich leider nur durch Schreien mitteilen kann. Selbst mit Mann ist man als Frau in der Zeit doch ziemlich allein. Man steht eh immer alleine auf, stillt, der Mann steht achselzuckend davor und sagt: Ich würde ja gerne helfen, aber, was soll ich machen, die Natur hat der Frau die Milch in die Brust gepflanzt. Und wenn man die schwierige Geburts- und Stillzeit hinter sich hat, ist man fit für die Partnersuche mit Baby. Ist auch viel romantischer von einem Mann, sich für eine Frau mit bereits vorhandenem Kind zu entscheiden. Weil viel selbstloser als die eigenen Gene durchzudrücken.