Leute mit Komplexen sind eifersüchtig. Ich weiß das. Weil ich früher selbst Komplexe hatte, nicht zu knapp, und sehr eifersüchtig war. Ich war eifersüchtig auf alles, jede. Auf das sexuelle Vorleben meines Mannes, lächerlich, auf seine Begrüßung der Schaffnerin in der Bahn, auf jede weibliche platonische Freundin, die mein Mann hatte und auch auf seine Kolleginnen. Peinlich. Jetzt, nach jahrelanger Beziehung, ist alle Eifersucht weg. Richtig weg. Ich fühle mich davon frei, als wäre ein Tumor entfernt worden.
Leider kann ich nicht genau erklären, wie ich das gemacht habe. Ob das überhaupt ich gemacht habe. Wenn man viel tut, kann nachher ja auch vieles geholfen haben. Oder war es nur die eine Sache? Älter werden, und somit entspannter werden? Sicherheit in der Beziehung bekommen? All die Stunden Paar- und Einzeltherapie? Die Kinder groß werden sehen macht auch stabiler! Einfach endlich, nach all den Jahren, meinem Mann glauben, was er sagt?
Auf jeden Fall ändert sich die Einstellung: Letztens hat sich ein Freund von uns umgebracht. Und erst da ist mir wirklich klargeworden, wie sehr ich leben will. Egal, was mir passiert, ich will leben. Zur Not auch alleine. Ich merke, ich genüge mir selbst. Ich definiere mich nicht mehr über meinen Mann oder über das Mutter-Sein. Alles Schlimme kann kommen, alle können mich verlassen, ich will trotzdem leben. Selbst wenn die Russen angreifen und gleichzeitig das Kernkraftwerk an der belgischen Grenze in die Luft fliegt: Irgendwann sitze ich wieder im Auto, höre laute Chart-Musik und lache mich kaputt, weil eine dicke Oma scheinbar im Takt der Musik, wie bei GNTM, die Straße entlang catwalked!
Früher: »Wenn du fremdgehst, töte ich erst dich und dann mich.«
Heute: »Bau’ ruhig mal so viel Scheiße, wie ich gebaut habe. Egal, was du machst, ich bin mir sicher, ich und wir kriegen das hin.«
Die Beziehung zu meinem Mann hat sich auf jeden Fall stark gewandelt, zum Positiven. Früher: »Wenn du fremdgehst, töte ich erst dich und dann mich.« Heute: »Bau’ ruhig mal so viel Scheiße, wie ich gebaut habe. Egal was du machst, ich bin mir sicher, ich und wir kriegen das hin.« Ehrlich: Mir fällt kaum ein Grund fürs Verlassen ein. Und wenn, dann sind es so schlimme Sachen, dass ich sie nicht mal ausformulieren will, weil das so böse wäre, das ist unvorstellbar. Und sehr, sehr unwahrscheinlich. Viel wahrscheinlicher sind Fremdgehen wegen Sex oder Fremdgehen wegen Verliebtsein. »Probier’s gerne aus«, würde ich heute sagen. Ich hoffe natürlich, das Fremdverliebtsein hält nicht lange und du kommst zurück. Wenn das nicht so ausgeht, habe ich einfach großes Pech gehabt. Es gibt aber nichts, was ich tun würde, wie früher, um das mit Gewalt zu verhindern. Damals habe ich jede Frau, mit der sich mein Mann traf, gegoogelt. War sie zu gut aussehend, wurde das Treffen von mir mit großem Einsatz und emotionaler Erpressung verhindert.
Ganz tief in meinem Inneren ist die Erkenntnis eingesickert, dass wir, so alt wie wir vermutlich werden und so lange wie wir wahrscheinlich zusammenbleiben, nicht monogam bleiben können. Nur Schönes in dem Satz gerade, haben Sie es gemerkt: Lange leben, bis dass der Tod uns scheidet ein Paar sein – und aufregenden Sex haben.
Leute, die schon mal fremdgegangen sind, wissen, dass der betrogene Partner die Sache meistens viel zu groß einschätzt. Aus Verletztheit, klar, und Gefühlen der Kleinheit. Der betrügende Partner sagt dann immer: »Das bedeutet doch nichts, nichts im Vergleich zu uns!« Und das ist meistens wirklich wahr. Fremdgehen macht weniger als ein halbes Prozent der Beziehung aus, ganz weit da unten, nur kurz, in dem Moment vielleicht aufregend, aber super unbedeutend im Vergleich zu diesem großen Lebensprojekt »Gute Beziehung«.
Ich kotze darüber, dass ich Sting zitieren muss, aber: »If you love somebody, set them free!« Ich behaupte jetzt einfach mal, dass das richtig ist. Bis mein Mann sich irgendwann zu mir setzt, meine Hand nimmt und sagt: »Charlotte, ich muss da mit Dir über etwas sprechen.«