Neulich kam die Botschaft, dass ein Update verfügbar sei. Alles war, hieß es, wieder einmal gewaltig verbessert worden: zehn Prozent schneller, zwanzig Prozent mehr intelligente Zusatzfunktionen und endlich – endlich! – konnte man auch Geräte der neuesten, sensationellen X-Klasse anschließen, von der ich allerdings noch nie gehört hatte. Der lästige Fehler, der in dieser und jener Situation (also einmal pro Tag) zum Absturz führte, war hingegen endgültig behoben und dank bahnbrechender neuer Technologie hielt die Batterie nun tatsächlich so lange, wie es der Prospekt immer versprochen hatte. Wollen Sie, fragte der Computer, das Update jetzt herunterladen? Ich zögerte nicht lang. Das Gefühl der Hoffnung war schier überwältigend. Diesmal, spürte ich tief drinnen, würde alles gut werden. Ich klickte auf »Yes«. Seitdem geht gar nichts mehr. Die Dinge, die vorher nicht perfekt, aber doch beinahe zuverlässig klappten, funktionieren nun ganz anders oder vielleicht auch gar nicht mehr, wer weiß. Die einzige Taste, die ich im Schlaf bedienen konnte, wurde leider deaktiviert und in Übereinstimmung mit einer neuen EU-Richtlinie kann man den Sound jetzt nur noch halb so laut aufdrehen – das klang vorher zwar besser, war aber angeblich gesundheitsschädlich. Ein Update, dachte ich mir, ist wie eine Schachtel Pralinen oder wie der Fortschritt oder wie das Leben selbst: Man weiß nie, was man bekommt. Der Fortschritt allerdings ist spätestens seit den siebziger Jahren ziemlich unten durch, mehr Fluch als Segen, er fordert Opfer und wird irgendwann, vermutlich schon sehr bald, an seine Grenzen stoßen. Das weiß jeder. Auch glaubt niemand mehr, dass beim nächsten Mann oder bei der nächsten Wahl tatsächlich alles anders werde. Nur wenn wir auf einen »Yes«-Button klicken, um ein Update vorzunehmen, wollen wir diese Grundregel einfach nicht wahrhaben. Das Prinzip Hoffnung, an das kaum einer mehr zu glauben wagt, lebt im Prinzip Update fort. Aus der Sphäre der Computertechnologie, ohnehin der Bereich, in dem noch mehr als anderswo machbar erscheint, greift es mehr und mehr auf das normale Leben über. »Geben Sie mir ein Update«, lautet die auf alles anwendbare Forderung unserer Chefs und Auftraggeber. Will sagen: Egal, woran Sie arbeiten, seit dem letzten Treffen muss sich ja wohl irgendetwas verändert und verbessert haben – und wenn Sie mir oft genug davon berichten, wird sich der Sinn Ihres Tuns irgendwann von selbst erschließen. Das Verb »update« wird mit »auf den neuesten Stand bringen« übersetzt, das klingt noch neutral – der neueste Stand könnte ja auch katastrophal sein. Das Substantiv »Update« dagegen bezeichnet laut Duden eine »aktualisierte [u. verbesserte] Version«. In dieser eckigen Klammer ruht die ganze Hybris des Updates: das gewagte Versprechen, die unausweichliche Enttäuschung und die genau genommen hoch-philosophische Behauptung, dass unendliche Verbesserung tatsächlich möglich sei. Der Trend beim Update geht inzwischen dahin, dass wir gar nicht mehr gefragt werden. Der »Yes«-Button hatte noch zu viel mit freiem Willen und zu wenig mit dem unaufhaltsamen Fortschreiten der Welt zu tun. Man konnte ja, so rückständig das auch war, immer noch mit »No« antworten. Jetzt wird der Computer alle paar Tage ganz langsam und rattert wild, daran erkennt man, dass er gerade selbstständig ein Update vornimmt. Damit passen sich Microsoft und andere Firmen am Ende aber nur der Gesamtsituation an. Punkt Mitternacht an Silvester haben wir schließlich alle ganz unfreiwillig ein neues Programm geladen, das uns eine Sekunde mehr Zeit und zahlreiche andere Neuerungen bringt, die wir momentan aber noch gar nicht richtig einschätzen können. Es heißt »Leben 2006« und ist das routinemäßige Update von »Leben 2005«. Alle Versuche esoterischer Hackergruppen, den Geheimbefehl zum Abschalten dieser kosmologischen Updatefunktion zu finden und einen Zustand relativer Stabilität und Zufriedenheit auf Dauer zu konservieren, sind bislang leider fehlgeschlagen.