Es ist immer ein herrlicher Tag, die Sonne scheint, in den blauen Himmel sind ein paar Wölkchen getupft. Idealerweise weht ein ganz leichter Wind. Den mögen die Ton- und die Frisurleute zwar nicht so gern, aber er verleiht der Natur im Hintergrund etwas ungemein Belebtes. Im Vordergrund: Ein Journalist und ein Politiker, und auf den ersten Blick entsteht der Eindruck, dass hier zwei Menschen ein idyllisches Fleckchen Erde gefunden haben und jetzt mal in aller Ruhe über alles reden. An diesem Sonntag beginnen im ZDF die sogenannten Sommerinterviews, Cem Özdemir, Parteivorsitzender der Grünen, wird den Auftakt im Musikantenstadl der deutschen Politik geben. Und weil sich die deutsche Einheit zum zwanzigsten Male jährt, werden die Gespräche in den Heimatorten der Politiker geführt.
Das Ziel dieses Fernsehformats soll es offenkundig sein, den Politiker als Menschen zu zeigen, in einer Umgebung, in der er abseits der sogenannten Hektik des Alltags frei und ehrlich über sich und seine politischen Ideen spricht. Vollkommen unverständlich ist nur, wie Fernsehmacher und Politiker glauben können, dass ihnen dies irgendjemand abnimmt. Schon in weniger ereignisreichen Jahren haben die Sommerinterviews bedrückend schlecht funktioniert. Politiker und auch Journalisten wirkten, als habe man sie gewaltsam aus ihrem natürlichen Habitat entführt und in neuer, vollkommen ungewohnter Umgebung ausgesetzt. Das fängt bei dem Holzklotz an, auf dem Edmund Stoiber 2001 saß, und hörte bei der grotesk amtlichen Freizeitkleidung auf, die Guido Westerwelle 2009 trug. Eine auf faszinierend plumpe Weise unglaubwürdige Inszenierung, die insofern erstaunlich ist, als Politiker über Medienberater verfügen. Müssten die nicht sehen, dass das Sommerinterview sein Ziel nicht bloß verfehlt, sondern schlicht lächerlich wirkt?
Das ZDF, das sich als Erfinder des Sommerinterviews rühmt, wirbt mit dem Slogan: »Wie zu Bayern das Weißbier und zu Hamburg der Hafen, so gehören die ZDF-Sommerinterviews zur Ferienzeit.« Wem zu Bayern als Erstes das Weißbier einfällt und zu Hamburg als Erstes der Hafen, der ist nicht nur unfassbar weit weg von dem, was wir Realität zu nennen pflegen – der verkennt auch, dass es in der Politik zurzeit vor allem um eins nicht gehen sollte: Inszenierung.
Fotos: RTL, ZDF, AP, Süddeutsche Zeitung Photo