Als der Orkan »Sabine« am vergangenen Montag den Fernverkehr lahmlegt, herrscht Informationsflaute im ICE, in dem ich mit meiner Familie (Freundin, Baby, Schwiegermutter) unterwegs bin. Da wir vorher in Österreich im Urlaub waren, konnten wir die Bahnfahrt trotz der widrigen Wetterprognose nicht vermeiden – allerdings hätte unser Zug eigentlich um 17.52 Uhr in Frankfurt ankommen sollen, also bevor dort der Sturm erwartet wurde. Nach zwei außerplanmäßigen Umstiegen und mehr als 30 Minuten Verspätung sitzen wir um 18 Uhr aber immer noch auf unseren Plätzen, weit von Frankfurt entfernt, und es kommt die Durchsage, dass der ICE, der eigentlich von Basel über Frankfurt nach Hamburg fahren sollte, wegen »Sabine« in Mannheim endet. »Bitte alle aussteigen, wegen Ihrer Weiterreise wenden sie sich bitte an die DB-Information.« Subtext: Das war es, wir machen Feierabend.
Bei uns dagegen: Panik. Während Freundin und Schwiegermutter hektisch alles zusammen packen, suche ich per Handy nach einem Hotel. Wenn hier jetzt alle Züge enden, denke ich, gibt es bestimmt innerhalb von Minuten kein Zimmer mehr! Während wir noch diskutieren, welches Hotel wir nehmen sollen, steigen wir aus und treffen auf dem Bahnsteig einen DB-Mitarbeiter. Ich frage ihn, ob wir ein Taxi nach Frankfurt bekommen können. Er schaut mich verwundert an. »Nach Frankfurt fahren noch Regionalzüge – zum Beispiel in sieben Minuten von Gleis 7.«
Jetzt verstehe ich überhaupt nichts mehr. Wurde der Bahnverkehr nicht gerade aus Sicherheitsgründen eingestellt? Warum ist man in einem Regionalzug bei Sturm anscheinend sicherer als in einem ICE? (Später erfahre ich den Grund dafür: Der Fernverkehr wurde präventiv für ganz Deutschland eingestellt, regionale Stellen konnten jedoch selbständig und nach Wetterlage entscheiden, ob Regionalzüge noch fahren durften.) Aber warum, verdammt, haben die Zugbegleiter im ICE nicht durchgesagt, dass überhaupt noch Züge fahren?
Jetzt heißt es rennen, mit Kinderwagen und sehr viel Gepäck. Doch wir bekommen den Regional-Express, ebenfalls von der DB. Er ist vollgestopft mit Menschen und Koffern – und trotzdem ist die Fahrt eine Offenbarung. Denn ein Zugbegleiter schlängelt sich durch das Chaos und fragt ausnahmslos JEDEN Fahrgast, wo er hin muss. Gerade geht er neben einer Frau auf die Knie, die noch bis Leipzig will. Er schüttelt den Kopf. »Das klappt leider nicht mehr.« Er rät ihr, in Frankfurt ein Hotel zu nehmen; an der DB Information bekomme sie dafür einen Gutschein. Sie möchte aber unbedingt möglichst weit in Richtung Heimat, damit ihr Mann sie mit dem Auto abholen kann. Der Zugbegleiter sucht ihr einen Zug nach Fulda raus. »Das ist das nächste, was Richtung Leipzig noch geht.« Was für ein Service, was für ein Kontrast zum ICE!
Gibt es »verspätungsfrei« für Zugbegleiter analog zu »hitzefrei« in der Schule?
Nicht nur, dass dort die entscheidende Information nicht durchgesagt wurde. Seit Beginn des Zugs in Basel hatte ich keinen Zugbegleiter gesehen, nicht mal die Fahrkarten waren kontrolliert worden. Dabei war der Informationsbedarf schon vor dem plötzlichen Ende der ICE-Fahrt groß, denn wir hatten da schon eine chaotische Reise hinter uns mit mehr als 30 Minuten Verspätung und Verpassen der meisten Anschlusszüge auf den Unterwegsbahnhöfen. Gibt es »verspätungsfrei« für Zugbegleiter analog zu »hitzefrei« in der Schule? Die Bahn schreibt dazu, es sei »zentrale Aufgabe unserer Mitarbeiter im Zug, als Ansprechpartner für unsere Gäste präsent zu sein. Das gilt gerade für die Fälle, in denen nicht alles glatt läuft.« Ich erlebe dagegen oft das Gegenteil, nämlich das Verschwinden der Zugbegleiter. Auch mehrere Leser beschrieben mir, dass sie schon oft diese Erfahrung gemacht hätten.
Klar, man kann den Zugbegleiter in seinem Kabuff aufsuchen. Aber dort ist er oft auch nicht anzutreffen. Außerdem gibt es Fälle, in denen man seinen Platz nicht so einfach verlassen kann, zum Beispiel wenn man Kinder betreut. Die Durchsagen bezüglich Anschlusszügen kommen zwar meist, gar nicht so selten hat man aber noch individuelle Fragen, die darüber hinausgehen. Natürlich hilft heutzutage die DB-App »Navigator« in Sachen Verbindungen und Alternativen. Aber erstens gibt es einige, besonders ältere Fahrgäste, die diese nicht benutzen oder nicht besonders versiert im Gebrauch sind. Zweitens sind dort auch nicht alle Informationen zu finden, etwa, ob es Aufzüge am Bahnsteig gibt, und wenn ja wo. (Inzwischen habe ich gelernt, dass es für solche Fragen eine eigene App gibt: »DB Barrierefrei«.)
Als der Fernverkehr wegen »Sabine« kurzfristig eingestellt wurde, bin ich jedenfalls nicht davon ausgegangen, dass die Regionalzüge, die in der App angezeigt wurden, wirklich noch fahren würden. Im Gegensatz dazu ist ein Bahn-Mitarbeiter, der die Lage mit seiner Erfahrung und Zugang zu den neusten Informationen bewertet, für viele Reisende der bessere Ansprechpartner. Der Kollege im Regional-Express hat vorgemacht, wie man sich gut um Kunden kümmert. Das würde ich mir auch im Fernverkehr häufiger wünschen.