Wie war das Osterwochenende im Zug?
Ich hätte mir gewünscht, dass die Züge leer gewesen wären. Aber Samstag und Sonntag war es zwischenzeitlich richtig voll.
Wer war unterwegs?
Tagsüber die typischen Senioren-E-Bike-Gruppen. Die sind einzeln oder in Zweiergruppen zugestiegen. Aber plötzlich kannten sich alle und acht Mann mit E-Bikes sind zusammen an einer Station wieder raus. Da frage ich mich wirklich – habt ihr den Einschlag nicht gehört? Die Senioren sind doch gerade die, die wir anderen schützen wollen, indem wir zuhause bleiben.
Und die Jüngeren?
Auch bei einigen Jüngeren ist die Botschaft »Zu Hause bleiben« anscheinend noch nicht angekommen. Samstagabend saß ich neben einem jungen Mann, der in einem fort telefoniert hat, um Freunde zum Feiern zusammen zu trommeln. Ich hoffe aber, dass das ein Effekt von Ostern und dem schönen Wetter war und die Zahl der Fahrgäste diese Woche wieder abnimmt.
Insgesamt fahren also doch deutlich weniger Menschen mit der Bahn?
Im Großen und Ganzen sind die Menschen vernünftig und reisen nur, wenn es sein muss. Mir ist das definitiv Recht. Dieser Rückgang der Fahrtgastzahlen kam spät. Noch bis Ende der ersten Märzwoche hatten wir Bundesliga- und Eishockey-Spiele und gerammelt volle Züge. Obwohl wir da längst von dem Virus wussten. Ich habe es mir schon da nicht angetan, durch den Zug zu gehen. Das war mir zu heiß wegen der der Ansteckungsgefahr.
Wie schützen Sie sich?
Abstand halten, sonst haben wir keinen Schutz. Unser Arbeitgeber stellt uns weder Einweghandschuhe noch Masken zur Verfügung. Sogar das Desinfektionsmittel auf den Toiletten ist aufgebraucht – weil so viel mehr davon verbraucht wurde als vor der Corona-Epidemie und es oft auch geklaut wurde.
»Ich muss manchmal husten wegen der trockenen Luft der Klimaanlage – da schauen mich dann fünf Leute schräg von der Seite an«
Haben Sie Angst, sich anzustecken?
Ich bin vier Jahre zur See gefahren und habe damals einen Norovirus-Ausbruch auf einem Schiff miterlebt – mich schockt so leicht nichts. Aber natürlich mache ich mir Gedanken. Ich bin 62 und gehöre damit zur Risikogruppe. Von Mitte Dezember bis Anfang Januar war ich krank geschrieben. Da hatte ich einen schweren Infekt mit beginnender Lungenentzündung. Ich habe mich definitiv auf der Arbeit angsteckt. Man kontrolliert ja normalerweise bis zu 1200 Leute am Tag.
Jetzt sind die Kontrollen ja eingestellt – was machen Sie denn dann in Ihrer Schicht?
Wir müssen rein in den Fahrgastraum und dürfen uns nicht wie die Kollegen anderer Eisenbahnunternehmen in den Führerstand zurückziehen. Unser Job besteht jetzt darin, dass wir mobilitätseingeschränkten Personen helfen und für Fragen der Fahrgäste da sind. Oft muss ich mit Fake News aufräumen, etwa dass wir den Betrieb bald einstellen. Aber das stimmt nicht, bei uns gilt: The show must go on!
Wer ist an Werktagen noch unterwegs?
Dadurch, dass nur noch so wenige Menschen fahren, kommt man eher ins Gespräch. Die meisten sind tatsächlich Berufspendler, viele arbeiten im Einzelhandel oder im Krankenhaus. Zwischen Koblenz und Bonn habe ich neulich mit einer Krankenschwester geredet, die in der Uniklinik arbeitet. Zum Abschied hat sie mir einen Einweg-Mundschutz geschenkt. Der bringt mit zwar nicht viel, aber die Geste war umwerfend. Sind ja überall knapp, die Masken.
Was machen Sie, wenn jemand auffällig hustet und schwitzt an Bord?
Ich muss selbst manchmal husten wegen der trockenen Luft der Klimaanlage – da schauen mich dann fünf Leute schräg von der Seite an. Wenn jemand aber in der Gegend herum hustet, ohne sich etwas vor der den Mund zu halten, bitte ich höflich, stattdessen in die Armbeuge zu husten. Und wenn wir einen Corona-Verdachtsfall haben, gibt es eine vorgeschriebene Abfolge.
Wie sieht diese aus?
Erst bitte ich die Menschen im Umkreis des erkrankten Fahrgasts, sich woanders hinzusetzen. Dann erkundige ich mich, wie es ihm geht. Ich frage nach Fieber und ob es Kontakt mit einem anderen Covid-19-Patienten oder einen Aufenthalt in einem Risikogebiet gab. Wenn das der Fall ist, geben wir das an die Bundespolizei durch. Die entscheidet dann, ob der Rettungsdienst verständigt und der Zug abgeriegelt wird. Aber konsequent ist das Vorgehen nicht. Vor ein paar Tagen hatte ein Kollege einen fiebernden Patienten an Bord – der wollte aber aussteigen, bevor die Bundespolizei im Zug war. »Dann lasst ihn halt aussteigen«, hieß es. So wurde es gemacht, und der wurde damit natürlich von niemandem registriert oder in Quarantäne geschickt.
Bekommen Sie dieser Tage auch mal Dank und Zuspruch von den Fahrgästen?
Ja, viele bedanken sich und wünschen mir, dass ich gesund bleibe. Ich erinnere mich an eine Verkäuferin vergangene Woche, die sehr besorgt war um mein Wohlergehen. »Schützen Sie sich bloß gut«, sagte sie. »Vielen Dank, dass sie das Ganze am Laufen halten.« Das sind die Momente, wo ich mir sage: Ich mache einen wirklich sinnvollen Job.