Wenn die Bahn Alarm macht

Rechtzeitig über verspätete Züge informiert zu werden, ist eine tolle Idee. Wieso bringt die Verspätungsmails der Bahn unseren Autor dann mal zum Lachen, mal zum Verzweifeln?

Illustration: Nishant Choksi

Schließlich kommt der Moment, an dem die Bahn mich zum Lachen bringt. Es ist abends, zehn vor sechs, fast neun Stunden Zugfahrt liegen hinter mir, als die Email des Services »Verspätungsalarm« eintrifft, mit folgender Nachricht: »Ermittelte Abweichung zum Zeitpunkt des Mail-Versands um 17:51 Uhr: Gleiswechsel«. Der Gleiswechsel, auf den mich die Mail aufmerksam macht, fand wohlgemerkt um 8.59 Uhr statt, neun Stunden zuvor, bei der Abfahrt meines Zuges. Bei der Bahn haben also nicht nur Züge, sondern auch die Emails Verspätung.

Genauso wenig hilfreich war die Nachricht des Verspätungsalarms ein paar Wochen danach. Um 14.00 Uhr teilte sie mir mit, dass der Zug um 13.29 Uhr ausfalle. Zu dem Zeitpunkt war ich schon längst zu einer S-Bahn gehetzt, um damit einen anderen Fernzug an einem anderen Bahnhof zu erwischen. Vergeblich, aber wenn der Verspätungsalarm mich rechtzeitig vor dem Ausfall meines Zuges gewarnt hätte, hätte ich hätte es schaffen können. Ich habe die letzten 20 Emails des Verspätungsalarms in meinem Postfach durchgesehen. In der Mehrzahl der Fälle kommen sie erst weit nach dem Ereignis an, um das es geht. Fast nie so zeitig, dass man als Fahrgast noch reagieren könnte. Die revolutionäre Technik der Email, so ganz ist die Bahn anscheinend noch nicht damit warm geworden. Wenn es ihr nicht auf die Lacher ankommt, die sie damit hervorruft, sollte sie den Verspätungsalarm einstellen.

Ich vertraute der Anzeige, wiederholte die Buchung – und hatte am Ende innerhalb von Minuten jeweils das Ticket doppelt gebucht und bezahlt

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In der Smartphone-Ära gibt es eigentlich ja auch schnellere Informationswege als den Email-Verkehr. Zum Beispiel Push-Benachrichtigungen. Diese kann man tatsächlich in der App »DB Navigator« aktivieren – allerdings muss man sie nach einem grundsätzlichen Okay in den Einstellungen noch zusätzlich für jede einzelne Verbindung anfordern. Obwohl ich seit langem fleißig alle Häkchen setze, bekomme ich einfach keine Verspätungsmeldungen per Push-Benachrichtigung. Was insofern egal ist, als die Informations-Quelle ohnehin die gleiche ist wie beim Verspätungsalarm per Email. Das Unterfangen, sich auf diesem Weg zuverlässiger als per Email über Verspätungen und Zugausfälle informieren zu lassen, ist also sinnlos. Was hingegen funktioniert, ist die Push-Benachrichtigung »Sie können jetzt einchecken.« Diese kommt allerdings auch, wenn der Zug ausfällt, und hat dann einen augesprochen höhnischen Klang. Genau wie die Frage »Wie war die Fahrt?« nach einer Fahrt, die es gar nicht gab.

Dabei stellt die Bahn ihren Kunden durchaus Technologie zur Verfügung, die funktioniert, sogar begeistert. An der App »DB Navigator« für Smartphones finde ich bis heute beeindruckend, dass dort sogar kurzfristig ausgefallene Busse und U-Bahnen angegeben sind, die nicht von der Bahn betrieben werden, sondern von anderen Wettbewerbern – so braucht man nur eine App für alle Städte und Dörfer der Republik. Gut, die Verbindungssuche von Haus zu Haus funktioniert oft nicht, aber bei Google gibt es das gleich Problem. Das Tollste an der Bahn-App ist ohnehin, dass man zum Buchen – die Älteren erinnern sich – keinen Schalter, keinen Automaten und auch keinen Drucker mehr benötigt. Ein paar Klicks auf dem Handy, schon ist die Fahrkarte digital gespeichert.

Blöd allerdings, wenn man sich auf die Technik verlässt und diese nicht funktioniert. Noch blöder, wenn man vorgegaukelt bekommt, die Buchung habe nicht geklappt, aber die Kreditkarte munter belastet wird. So ging es mir zweimal in den letzten Monaten. Beide Male bekam ich während des Buchungsvorgangs für einen Moment eingeblendet, dass ich nicht eingeloggt sei. Ich hätte skeptisch sein müssen, weil man ja im Handy eigentlich immer eingeloggt bleibt. Doch ich vertraute beide Male der Anzeige, wiederholte die Buchung – und hatte am Ende innerhalb von Minuten jeweils das Ticket doppelt gebucht und bezahlt. Da war ich anscheinend nicht der einzige. Anfang August berichtete eine Twitter-Userin, dass ihrem Mann Kosten für 13 Fahrten abgebucht wurden – er hatte einige Versuche unternommen, zwei Hin- und Rückfahrten zu buchen und zu bezahlen, mal per Paypal, mal per Kreditkarte. Ich weiß nicht, wie es diesem Kunden ging. Mir wurde auch nach Reklamation nur eines der beiden durch den App-Fehler zu viel gebuchten Tickets erstattet - das für 5,25 Euro, nicht das für 28 Euro.

Seit August bietet die Bahn die Navigator-App übrigens als weiterentwickelte Testversion für alle Handybetriebssysteme an. Angeblich sollen die Bezahl-Probleme darin abgestellt worden sein. Ich habe die neue Version heruntergeladen. Aber nach meinen bisherigen Erfahrungen mit der Bahn-Technik habe ich mich noch nicht getraut, sie auch zu benutzen.