Natürlich träumt jeder davon, um seiner selbst willen geliebt zu werden. Nur wegen seiner schönen Augen, ja nicht einmal deretwegen, sondern sozusagen seelisch nackt, einfach als Mensch an sich. Würde dieser Wunsch allgemeine Realität, führte er zwar mit ziemlicher Sicherheit zum Konkurs so manches Sportwagenherstellers und Modeunternehmens; er zeigt aber auch, dass sich ohne äußere Umstände darzustellen nicht unehrlich, sondern umgekehrt besonders ehrlich ist. Nur, was sind innere und was äußere Umstände? Bei Sportwagen und edler Kleidung kann man eine Trennlinie zum Besitzer ziehen – hinter der bei manchem freilich wenig bleibt. Im Falle Ihrer Tochter liegt es anders, sie ist untrennbarer Teil Ihres Lebens und einen solchen absichtlich zu verschweigen eine kleine Täuschung. Darf man die nutzen auf dem Weg zur wahren Liebe?In Francesco Cavallis Barockoper La Calisto rät Merkur dem Jupiter, sich als Diana zu verkleiden, um die Titelheldin zu gewinnen: »Nehmt eure Zuflucht zum Schwindel, denn der trügerische Liebhaber gewinnt.« Dies dient allerdings mehr den amourösen Gelüsten des Göttervaters denn großer Liebe, wie auch sonst Merkurs Ratschläge von zweifelhafter Moral sind: »Nicht zu retten / ist der Gatte, / der die Regelung seiner Gelüste / seiner Frau überlassen müsste.« Doch auch Jupiter entwickelt bei der Täuschung so etwas wie echte Gefühle: Er verschafft Calisto am Ende einen Platz als Sternbild am Firmament – nachdem diese alles ausbaden musste, von der eifersüchtigen Gattin Juno in eine Bärin verwandelt.Die Engländer sehen es zielorientiert, sie haben ein sehr gängiges Sprichwort: »All is fair in love and war«, das gute Ziel zählt – nicht umsonst ist der Utilitarismus, die Nützlichkeitsethik, eine britische Erfindung. Wenn ich auf das Ergebnis schaue, komme ich jedoch zu einem anderen Schluss: Selbst wenn die Liebe entbrennt, als absichtlich spät Eingeweihte käme ich mir immer getäuscht, schlimmer noch, geprüft vor. Und das hinterließe bei mir ein unschönes Gefühl.
Die Gewissensfrage
»Ich bin seit drei Jahren geschieden und Vater einer sechsjährigen Tochter. Wenn Frauen, die ich kennen lerne, erfahren, dass ich ›mit Anhang‹ bin, sind sie oft gar nicht mehr an mir interessiert – oder deswegen besonders. Deshalb habe ich beschlossen, zunächst nichts von meiner Tochter zu erzählen, da ja bei einer Beziehung die Partner im Vordergrund stehen sollten. Nun plagt mich das Gewissen: Hintergehe ich jemanden, wenn ich erst später damit herausrücke, womöglich nach ersten sexuellen Kontakten?« KLAUS K., FULDA