Bei objektiver Analyse der Fakten scheint wenig gegen Ihr Vorhaben zu sprechen. Ihre Verflossenen haben Ihnen die Schmuckstücke zurückgegeben, erheben offenbar keine Ansprüche mehr darauf; die Preziosen liegen in der Tat mehr oder weniger nutzlos herum. Da liegt es nahezu auf der Hand, sie erneut so zu verwenden, wie es schon einmal der Fall war: Sie haben weniger zu lagern, Geschenke sofort zur Hand und sparen zudem noch Geld. Das wirkt alles ungemein sinnvoll, echte Gegenargumente scheint es nicht zu geben – und trotzdem stört mich etwas. Vielleicht klingt alles einfach zu zweckmäßig, getreu dem Motto: »Praktisch denken, Särge schenken!«Dabei irritiert mich keineswegs, dass Sie etwas aus Ihrem Besitz weitergeben, also nichts speziell Erworbenes. Sich von etwas eigenem zu trennen, um einem anderen eine Freude zu machen, kann sogar ein Zeichen besonders großer Zuneigung sein. Aber genau das führt auch zum Knackpunkt: Bei einem Geschenk, speziell für die oder den Geliebten, sollte es ja weniger um einen bestimmten Wert oder die Erfüllung einer Pflicht gehen, es sollte vielmehr »von Herzen« kommen. Genau daran scheint es mir aber bei der Recyclingaktion zu mangeln. Gegenstände lassen sich wiederverwenden, Gefühle aber nicht. Die Empfängerin mag sich freuen, doch im Endeffekt über eine emotional leere Hülle – ohne es zu wissen. Das allein wäre vielleicht noch nicht unmoralisch, sondern nur kalt. Hinzu kommt aber noch die Täuschung: Wenn nichts dabei ist, warum erzählen Sie der Beschenkten nicht die Geschichte? Sie fürchten, sie könnte sich abgewertet fühlen, wenn Sie ihr den ab-gelegten Schmuck der Ex zum Präsent machen? Da ist was dran, nur wird es nicht besser, wenn man es verheimlicht.Haben Sie auch eine Gewissensfrage? Dann schreiben Sie an Dr. Dr. Rainer Erlinger, SZ-Magazin, Rindermarkt 5, 80331 München oder an gewissensfrage@sz-magazin.de.
Die Gewissensfrage
»Im Laufe verschiedener Beziehungen habe ich meiner jeweiligen Partnerin auch Schmuck geschenkt. Den haben mir einige nach der Trennung wieder zurückgegeben, sodass inzwischen ein paar Schmuckschachteln samt Inhalt bei mir lagern und mich, wenn ich umräume, an die jeweilige Liebe erinnern. Spricht etwas dagegen, diese Schmuckstücke – ohne die Herkunft offenzulegen – an eine neue Partnerin zu verschenken? Dabei geht es mir weniger ums Sparen, eher darum, dass die Gegenstände ja nutzlos rumliegen.« DANIEL H., LÜBECK